VOLTAIRE, François-Marie Arouet de (Q981)

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VOLTAIRE, François-Marie Arouet de
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    VOLTAIRE, François-Marie Arouet de (français)
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    Europaweit strahlen die Theorien Isaac Newtons aus, die unter den prominenten >philosophes< vor allem Voltaire nachhaltig beschäftigen und die experimentelle Methode als Paradigma aufklärerischer Wissenschaft und Philosophie begründen.
    Seit 1755 arbeitet Voltaire mit an der Encyclopedie, Wenig später entsteht sein Dictionnaire philosophique portatif ou La raison par alphabet (1764/1769) im handlichen, erschwinglichen Taschenbuchformat, das er dem totalen und exklusiven Aufklärungsanspruch der vielbändigen, teuren und aufwendigen Encyclopedie entgegen setzt: »Jamais vingt volumes in folio ne feront de revolution; ce sont les petits livres portatifs a trente sous qui sont a craindre« (Brief an d'Alembert).
    Die meisten Werke Voltaires sind tendenziös und huldigen den Ideen, die er als vernunftgemäß richtig erkannt hat, vor allem Aufklärung und Toleranz.
    Voltaire fügt dieser Kritik eine sozialpsychologische und sozialgeschichtliche Begründung der Auswirkung religiöser Vorurteile an. Beide Begründungen sind charakteristisch für die antireligiöse Kampagne der französischen Aufklärung.
    Zadigs endlicher Aufstieg und sein politisches Wirken am Schluß der Erzählung sind Ausdruck von Voltaires Glauben an eine trotz möglicher Einwände bestehende innere Ordnung der Welt und an das Fortschreiten der Aufklärung.
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    An die Seite traditioneller Darstellungsästhetik treten geschmacks- und wirkungsästhetische Ansätze unterschiedlicher Herkunft: Italienische Autoren wie Muratori, englische wie Hume, französische wie Madame Dacier, Voltaire, Batteux, Montesquieu und Marmontel beschäftigen sich mit der Analyse des Geschmacksbegriffs.
    Jh. einerseits noch von der Ästhetik der französischen Klassik geprägt ist, andererseits sich aber bereits im Ablösungsprozeß von der doctrine classqiue befindet, belegt exemplarisch Voltaires kritischsatirischer „Temple du goût“ (1733), eine in Vers und Prosa abgefaßte allegorische Reise zum Tempel des guten Geschmacks, die als literaturkritischer Essay zu lesen ist.
    Während Voltaires Zeitgenossen Houdar de La Motte, Marivaux und Jean Baptiste Rousseau der Zutritt zum Altar verweigert wird, dürfen die großen Schriftsteller der französischen Klassik - Fénelon, Bossuet, Corneille, Racine, La Fontaine, Boileau und Molière -den innersten Tempelbereich betreten, sind jedoch angewiesen, ihre Werke im Sinne des guten Geschmacks zu überarbeiten.
    Diese Position vertritt auch Rousseau, der in „Emile ou De l'éducation” (1762) den Geschmack als fundamentale moralische Urteilsinstanz definiert und das Geschmacksurteil als Folge von Erfahrungsaustausch und gesellschaftlicher Prägung betrachtet. 1787 schließlich beschäftigt sich Marmontel in seinem „Essai sur le goüt“ nochmals ausführlich mit dem Gcschmacksbegriff, den er in historischer Perspektivierung von der Antike bis zu Voltaire behandelt, dessen Werk ihm als Inbegriff des guten Geschmacks gilt.
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    Bei Voltaire etabliert sich der Dialog als autonome Kurzform, die nur noch schwach fiktionalisiert ist.
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    Die Gattungsbezeichnung wird zum >understatement< für oftmals durchaus ambitionierte theoretische, (natur-)wissenschaftliche und historiographische Entwürfe (z. B. Einige neuartige (kürzere) Textsorten tragen aufschlussreiche Bezeichnungen wie (dramatisches und lyrisches) >impromptu< (Stegreifgedicht, Stegreifspiel), in dem sich die Hinwendung zum Performativen abzeichnet, oder >aper^u<, das die skizzenhafte Darstellung großer Sachzusammenhänge wie auch die im moralistischen Schrifttum festgehaltene blitzartige individuelle Intuition bezeichnet.
    Die Vermittlung naturwissenschaftlicher Erkenntnisse in eleganter und unterhaltsamer Form wird im 18. Jh. In Fontenelles Entretiens ist eine Frau die aufklärungsbedürftige Protagonistin; im Vorwort heißt es, eine Dame, die die Princesse de Cleves zu lesen verstehe, sei, wenn sie sich nur recht bemühe, auch in der Lage, die neue Kosmologie und Descartes' Wirbeltheorie zu verstehen.
    Die in Oxford erscheinende Werkausgabe, die 2018 abgeschlossen sein soll, ist auf 200 Bände angelegt, wird über 700 Einzeltexte sowie mindestens 21000 Briefe von und an Voltaire umfassen, Tausende von Versen in allen Stillagen, Dutzende von Erzählungen aller Art, fast 30 Tragödien, rund 20 Komödien, ein nationales Heldenepos (La Henriade), ein komisch-heroisches Versepos (La pucelle), ein polemisches Wörterbuch, zahlreiche historiographische Schriften, gelehrte und naturwissenschaftliche Abhandlungen sowie philosophische Texte.
    Da Voltaire schon Bekanntschaft mit der Bastille gemacht und infolge dieser Publikation Repressionen zu befürchten hat, lebt er nun 15 Jahre mit der Marquise Du Chatelet auf deren Landsitz in Cirey zusammen, wo das Paar den bereits erwähnten gemeinsamen philosophischen und naturwissenschaftlichen Interessen nachgeht, denen sich Voltaires Elements de la philosophie de Newton (1738/1741) verdanken.
    Neben der großen Wirkung Bayles und Fontenelles gelangen politische, naturwissenschaftliche und religionsphilosophische Gedanken englischer Philosophen (Hume, Locke) durch die Vermittlung Montesquicus und Voltaires in Frankreich in Umlauf.
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    Die Gattungsbezeichnung wird zum >understatement< für oftmals durchaus ambitionierte theoretische, (natur-)wissenschaftliche und historiographische Entwürfe (z. B. Einige neuartige (kürzere) Textsorten tragen aufschlussreiche Bezeichnungen wie (dramatisches und lyrisches) >impromptu< (Stegreifgedicht, Stegreifspiel), in dem sich die Hinwendung zum Performativen abzeichnet, oder >aper^u<, das die skizzenhafte Darstellung großer Sachzusammenhänge wie auch die im moralistischen Schrifttum festgehaltene blitzartige individuelle Intuition bezeichnet.
    Die in Oxford erscheinende Werkausgabe, die 2018 abgeschlossen sein soll, ist auf 200 Bände angelegt, wird über 700 Einzeltexte sowie mindestens 21000 Briefe von und an Voltaire umfassen, Tausende von Versen in allen Stillagen, Dutzende von Erzählungen aller Art, fast 30 Tragödien, rund 20 Komödien, ein nationales Heldenepos (La Henriade), ein komisch-heroisches Versepos (La pucelle), ein polemisches Wörterbuch, zahlreiche historiographische Schriften, gelehrte und naturwissenschaftliche Abhandlungen sowie philosophische Texte.
    Voltaire ist seit 1745 offizieller Historiograph Ludwigs XV. Noch während seines Aufenthalts in Potsdam bringt er 1751 sein Geschichtswerk Le siecle de Louis XIV heraus.
    Damit beansprucht er einen herausragenden Rang in der nationalen Traditionssicherung Frankreichs, wie auch mit seinen Tragödien und seiner Hen-riade (ab 1723), in der Henri IV in zehn Gesängen als Nationalheld gerühmt wird. 1756 erscheint Voltaires Essai sur les m&urs et l’esprit des nations, ein historisch und geographisch weit ausgreifendes Werk, das ihm den Ruf einträgt, einer der Begründer der vergleichenden Kulturgeschichtsschreibung zu sein; in diesem Zusammenhang prägt er auch den zukunftsträchtigen Begriff der >philosophie de l'histoire<.
    Jh.s spielt, parallel zur Blüte der National- und vor allem Universalgeschichtsschreibung, das Traditionsgenre des Epos (in gereimter oder ungereimter Form) mit national- oder menschheitsgeschichtlichen Stoffen eine bedeutende Rolle (Voltaire, Marmontel, Madame du Boccage, Andre Chenier).
    Obschon Voltaire der klassischen Dramaturgie formal verhaftet bleibt, gehen von ihm entscheidende Impulse für eine Auflösung des starren Regelkorsetts aus: Indem er neben antiken Stoffen auch neue Stoffkreise für seine philosophischen Tragödien fruchtbar macht - vor allem die nationale Geschichte („Zaire“, 1732; „Adélaïde du Gues-clin“, 1734) und außereuropäische Stoffe -und damit zugleich als exotisch geltende Handlungsorte für salonfähig erklärt - etwa Peru („Alzire“, 1736), den Nahen Osten („Le fanatisme ou Mahomet le prophète“, 1741) und China („L’orphelin de la Chine“, 1755) - überwindet er die doctrine classique bereits thematisch.
    Als Symbol der Aufklärung gilt auch weiterhin Voltaire, weil er mit seinem Schlachtruf „Ecrasez l’Infäme“ nicht nur in seinem literarischen Œuvre gegen Intoleranz, Korruption, Willkür, Ungerechtigkeit und Amtsmißbrauch polemisiert, sondern weil er maßgeblich zur Etablierung eines philosophisch-antitheologischen Geschichtskonzepts beiträgt („Le siècle de Louis XIV“, 1752; „Essai sur l’histoire générale et sur les mœurs et l’esprit des nations depuis Charlemagne jusqu’à nos jours“, 1756) und sowohl in seinen philosophischen Werken („Dictionnaire philosophique portatif“, 1764; „Questions sur ['Encyclopédie“, 1770-72) als auch in zahllosen Protest-, Spott- und Kampfschriften politische und soziale Mißstände anprangert.
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    In Voltaires Candide wird Leibniz' metaphysischer Optimismus in der Figur des Pangloss karikiert, dessen Gegenspieler Martin Züge Bayles trägt.
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    Bayle begründet die Kritik als aufklärerischen Diskurstypus; diesen führt vor allem Voltaire in der für ihn charakteristischen Form weiter, indem er die schwer entzifferbare Baylesche Ironie zu deutlicher ironischer Kritik ausbaut. 1696/1697 (überarbeitet 1702) veröffentlicht Bayle sein meistgelesenes Werk, seinen Dictionnaire historique et critique. 1692 legt er sein kühnes Programm dar (Projet et fragments d’un dictionnaire critique): In einem lexikographischen Werk sollen alle Irrtümer der überlieferten Enzyklopädien richtiggestellt, d.h. der gesamten Überlieferung und allen Autoritäten soll kritisch entgegengetreten werden.
    Selbst wenn Voltaire Fontenelle als Akademiesekretär in Micromegas (1752) karikiert, ist seine Religionskritik dennoch von dessen witzigen Anekdoten und >reductiones ad absurdum< des Aberglaubens stark beeinflusst.
    Der katholische Denker, mit dem Voltaire sich trotz seiner Kirchenkritik wohl am intensivsten befasst und dem er seinen polemischen Stil teilweise verdankt, ist Blaise Pascal, dessen Philosophie in Frankreich vor und nach 1800 von Montesquieu bis zu Rousseau, Condorcet und Tocqueville viele bedeutende Köpfe geprägt hat.
    Auch Boileau bedeutete, trotz Voltaire’s absprechender Kritik, für ihn fast dasselbe, wie für das siebzehnte Jahrhundert, und Montesquieu, der tiefe Erforscher und beredte Dolmetscher römischer Grösse, galt ihm im ganzen als unumstössliche Autorität, gerade wie seinem Vorgänger in der Redaktion der Korrespondenz, dem Abbe Raynal.
    Die englische Litteratur der Zeit tritt weit mehr in den Vordergrund, aber sein Urteil über Shakespeare, den Ducis und Letour-neur nach Voltaire’s Vorgänge in Paris einzubürgern suchten, leidet an allen Vorurteilen und Einseitigkeiten der Voltaire’sehen Kritik.
    Voltaires Urteile entspringen stets dem gesunden Menschenverstand. Er ist der geborene Kritiker.
    Als »historische Vorurteile« bezeichnet Voltaire fabulöse geschichtliche Traditionen; gegenüber den »religiösen Vorurteilen« erscheinen sie harmlos lächerlich. Letztere sind dagegen als die hartnäckigsten Meinungen aufzufassen, die höchst gefährliche Folgen gezeitigt haben. Die religiösen Vorurteile erscheinen einerseits nicht weniger absurd als phantastische geschichtliche Überlieferungen: [...]
    Voltaire fügt dieser Kritik eine sozialpsychologische und sozialgeschichtliche Begründung der Auswirkung religiöser Vorurteile an.
    Voltaire, dessen Meinung über die »Egalité« wir noch kennenlernen werden, hat die soziale Anklage und die atheistischen Schlußfolgerungen des Mémoire beiseite gelassen, um einzig und allem den Antiklenkalismus weiterzureichen, der natürlich die in erster Linie massiv ideologiekritische oder anti-religiöse - hingegen kaum anti-etatistische oder grundsätzlich anti-ständische - Kampagne der Aufklärung seit der Mitte des Jahrhunderts unterstützen und ermuntern konnte.
    Voltaire stellt Bedeutung und Funktion des kirchlichen Gebotes im wörtlichen Sinn in Frage, indem er die Einwände dagegen in der Frageform formuliert.
    Dank der Unterscheidung zwischen arm und reich vermittelt Voltaire implizit eine sozialkritische Botschaft, die mit dem kirchlichen Gebot semantisch assoziiert, aber ideologisch unvereinbar ist: Die Armen hungern das ganze Jahr über (»ils font carême toute l’année«) - also laßt uns nicht ans Fasten, sondern an die Steigerung des sozialen Wohlstands denken.
    Hat Voltaire hier aus der Bedeutung »Fasten« die weitreichende Bedeutung »Hungersnot« entwickelt, so setzt er eine weiter ausgreifende Bedeutung des Wunderbaren, Erstaunlichen an den Anfang seiner Kritik der »Miracles«, des Wunderglaubens, um dessen Unhaltbarkeit zu offenbaren. Ordnung und Gesetze der Natur und des Weltalls seien ein unaufhörliches Wunder; was man gemeinhin ein »Mirakel« nenne, sei eine »Verletzung dieser göttlichen und ewigen Gesetze«. Das Aufbrechen einer verhärteten Botschaft zugunsten unterschiedlicher Konnotationen ließe sich als wirkungsvolle und besondere Vorgehensweise Voltairescher Vorurteilskritik auch mit anderen Artikeln des Dictionnaire philosophique zeigen (»Foi«, »Folie«, »Grace«, » Pretres«, » Prophetes «, » Resurrection «, » Theologien «, »Transsubstantiation«, »Vertu«).
    Vision de Babouc (1748), Candide ou l’Optimisme (1759) Der vornehme Perser aus Montesquieus Briefroman ist aufgebrochen, »um mühevoll die Weisheit zu suchen« ; auch Candide und Babouc, die kritischen Reisenden der beiden philosophischen Erzählungen Voltaires, folgen diesem Ziel; allerdings sind sie nicht in die Vorurteile ihrer eigenen Kultur verstrickt - wie Usbek etwa in die Vorstellungswelt des orientalischen Despotismus.
    Rousseau sieht den fatalen Ausgangspunkt der Entwicklung vom Naturmenschen zum zivilisierten Menschen in der Etablierung des individuellen Eigentums; diese berühmte Formulierung hat Voltaire zu wütender Polemik gereizt. [94] Auch wenn Rousseau das Ergebnis der Vergesellschaftung negativ beurteilt, so erscheint ihm die Tatsache der Vergesellschaftung doch als eine unbedingte historische Notwendigkeit.
    Deutliche Angriffe gegen die Säulen des Staates erfolgen dann u. a. in Montesquieus Lettres persanes (1721) und in Voltaires Lettresphilosophiques (1734).
    Voltaires umfangreiche historische Studien zu seinem Essai sur les moeurs („Essay über die Sitten“) und dabei gewonnene Erkenntnisse finden ihren Niederschlag in Candide (1758) mit seiner vernichtenden Kritik am metaphysisch begründeten Optimismus Leibniz-Wolffscher Prägung, die aber keinesfalls als Absage an den aufklärerischen Optimismus überhaupt und nunmehrige Huldigung eines hoffnungslosen Pessimismus verstanden werden darf.
    Voltaire (1694-1778), der im Laufe des Jahrhunderts zum Inbegriff der Aufklärung avanciert, muß schon 1717 wegen satirischer Verse gegen den König ins Gefängnis, wo er mit der Abfassung eines Epos über den toleranten Heinrich IV. beginnt. Dieses Epos, das 1723 unter dem Titel „La Ligue ou Henri le Grand" in einer ersten Passung erscheint, enthält implizit eine Kritik an der durch Intoleranz, und Verfolgung gekennzeichneten Herrschaft des Sonnenkönigs.
    Auch in seinen Tragödien, mit denen er ab 1718 bis zu seinem Todesjahr 1778 große Triumphe feiert, verfolgt Voltaire seinen Feldzug gegen Willkür, Gewaltherrschaft, Intoleranz, Fanatismus, Unterdrückung und Ungerechtigkeit. Eine weitaus offenere Kritik an diesen Mißständen findet sich in seinen „Lettres philosophiques" (1734), in denen er Frankreich durch den Vergleich mit der in England verwirklichten Religionsfreiheit, konstitutionellen Monarchie und Meinungsfreiheit kritisiert.
    Der um die Jahrhundertmitte von Voltaire begründete conte philosophique dient der ironisch-satirischen Illustration philosophischer Thesen und der Kritik an zeitgenössischen Mißständen („Candide ou L’optimisme“, 1759).
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    Selbst wenn Voltaire Fontenelle als Akademiesekretär in Micromegas (1752) karikiert, ist seine Religionskritik dennoch von dessen witzigen Anekdoten und >reductiones ad absurdum< des Aberglaubens stark beeinflusst.
    Zwischen 1726 und 1728 hält Voltaire sich in England auf, wo sich ihm die Vorzüge der konstitutionellen Monarchie, der englische Empirismus, die Theorien Newtons wie die Dramen Shakespeares offenbaren. 1734 erscheinen ohne Druckerlaubnis seine Lettres philosophiques, in denen er die französischen Leser mit den mannigfachen Vorzügen der englischen Politik und Kultur, vor allem der Praxis weitgehender religiöser Toleranz vertraut macht (1733 unter dem Titel Lettres anglaises in London erschienen).
    In den berühmten Justizaffären Calas, La Barre und Sirven setzt Voltaire sein polemisches Talent, seine Militanz und sein juristisches Geschick ein, um die Öffentlichkeit gegen den herrschenden religiösen Fanatismus und die Ungerechtigkeiten des französischen Rechtssystems zu mobilisieren (Traite sur la tolerance, a l'occasion de la mort de Jean Calas, 1763).
    In den berühmten Justizaffären Calas, La Barre und Sirven setzt Voltaire sein polemisches Talent, seine Militanz und sein juristisches Geschick ein, um die Öffentlichkeit gegen den herrschenden religiösen Fanatismus und die Ungerechtigkeiten des französischen Rechtssystems zu mobilisieren (Traite sur la tolerance, a l'occasion de la mort de Jean Calas, 1763). Sein Feldzug für religiöse Toleranz bezieht Argumente Bayles und Lockes, aber auch pragmatische Motive ein, die er schon in den Lettres philosophiques angeführt hat und die sich ähnlich u. a. bei Montesquieu finden, wie z.
    Während d’Alembert, so weit bei ihm von einer Sympathie für Konfessionsunterschiede die Rede sein kann, nie von der Einwirkung der katholischen Erziehung sich ganz freimachte und auch Voltaire den Protestantismus noch feindseliger beurteilte, als den Katholizismus, fällt für Grimm das Luthertum mit der Volksaufklärung und selbst mit der Toleranz ziemlich zusammen, die katholische Volksbildung ist ihm ein Mittel der Verdummung.
    Voltaire’s Beurteilung ist oft eine kleinlich - mäkelnde und der tiefergehenden Gesichtspunkte entbehrende, wenngleich sie vieles Richtige trifft und da auch von unverkennbarer Sympathie zeugt, wo Grimm und Voltaire zusammen gegen Kirchenglauben und die überlebte Philosophie eines Descartes Front machen konnten.
    Kaum eine Schrift Voltaires hätte diesen Prüfungen auf Gotteslästerliches, Staatsgefährliches, Unsittliches standhalten können.
    Als »historische Vorurteile« bezeichnet Voltaire fabulöse geschichtliche Traditionen; gegenüber den »religiösen Vorurteilen« erscheinen sie harmlos lächerlich. Letztere sind dagegen als die hartnäckigsten Meinungen aufzufassen, die höchst gefährliche Folgen gezeitigt haben. Die religiösen Vorurteile erscheinen einerseits nicht weniger absurd als phantastische geschichtliche Überlieferungen: [...]
    Voltaire fügt dieser Kritik eine sozialpsychologische und sozialgeschichtliche Begründung der Auswirkung religiöser Vorurteile an.
    (Ebd.) o taires Artikel gipfelt in dem Angriff auf die geistige und weltliche Vormacht-ste ung der Institution Kirche; er hat allerdings mit einer Betrachtung der Vorurteile egonnen, die für das soziale Zusammenleben und für das individuelle moralische Verhalten allgemein anerkannt, notwendig seien.
    Voltaire, dessen Meinung über die »Egalité« wir noch kennenlernen werden, hat die soziale Anklage und die atheistischen Schlußfolgerungen des Mémoire beiseite gelassen, um einzig und allem den Antiklenkalismus weiterzureichen, der natürlich die in erster Linie massiv ideologiekritische oder anti-religiöse - hingegen kaum anti-etatistische oder grundsätzlich anti-ständische - Kampagne der Aufklärung seit der Mitte des Jahrhunderts unterstützen und ermuntern konnte.
    Voltaire hat im Philosophischen Taschenwörterbuch nicht den Weg einer antireligiösen Predigt eingeschlagen – das hat ihm vielleicht zu einem dauerhafteren Ruhm verholfen. Vielmehr greift er vereinzelt die Vorstellungen und Behauptungen des traditionellen ideologischen Systems auf, analysiert deren Konsistenz, indem er sie an ihrer historischen Verwirklichung oder Auswirkung überprüft. Er verwendet gerne dialogische Formen: Dialog mit dem Leser, Dialog zwischen dem Autor oder seiner Gruppe (»nous«) und den Vertretern der traditionellen Vorstellungen; Dialog zwischen Personen, die im Aberglauben befangen sind oder – nach Meinung des außenstehenden Betrachters – es zumindest sein sollten; Dialog zwischen zwei Vertretern nichtchristlicher Religionen;
    Voltaire stellt Bedeutung und Funktion des kirchlichen Gebotes im wörtlichen Sinn in Frage, indem er die Einwände dagegen in der Frageform formuliert.
    Diese beiden Bewertungsskalen entsprechen in etwa den Vorstellungen eines bürgerlichen oder eines adligen Publikums. [68] Als philosophischer Betrachter oder Erzähler hat Voltaire sich außerhalb eines eindeutigen ständischen Engagements gestellt; die Ironie seiner Beobachtungen kann gegen den Adel gerichtet sein und die Bürgerlichen amüsieren oder umgekehrt; der Spott kann dem Klerus gelten und die übrigen Stände unterhalten; der Spott kann auf die Unvollkommenheit der menschlichen Verhältnisse überhaupt gemünzt sein und findet Gehör bei »Philosophen« sowie Angehörigen aller drei Stände.
    Statt der sozial geächtete Außenseiter zu sein - Voltaire wurde 1730 noch verhaftet, weil er sich in seinem Gedicht La mort de Mlle Lecouvreur darüber empört hatte, dass die Kirche ihr ein christliches Begräbnis verweigert hatte -, übernimmt der Akteur nun eine wesentliche Rolle bei der Erziehung des Volkes.
    Voltaires Contes fügen sich somit organisch in seinen weltanschaulichen Entwicklungsprozeß ein. Damit erhebt sich zugleich die Frage, wie er denn sein weltanschauliches Anliegen mit den an die Contes zu stellenden literarisch-ästhetischen Anforderungen zu verbinden vermochte. Mußte diese vordringlich ideologisch-didaktische Funktion seiner Contes nicht zwangsläufig deren literarischen Wert mindern oder überhaupt in Frage stellen? Faßt man die Handlung der verschiedenen Contes philosophiques ins Auge, die Fülle von unglaublichen Abenteuern und phantastischen Geschehnissen, die zahlreichen Zutaten aus orientalischen Märchen und der europäischen Feenwelt, so scheint der Abbildcharakter dieser Literatur zunächst in Frage gestellt. Bei einer aufmerksameren Betrachtung bietet sich jedoch ein weit anderes Bild. Sieht man von der willkürlichen, dennoch einer bestimmten Absicht entsprechenden Verknüpfung der Geschehnisse ab, bemüht man sich, den Schleier der phantastisch-exotischen Verhüllung zu zerreißen, so präsentieren die Contes dem Leser mit einemmal eine Fülle von zutiefst realistischen Details und Episodenschilderungen, wie sie in ihrer prägnanten Deutlichkeit und Schärfe kaum zu übertreffen sind. So werden an zahlreichen Stellen, angefangen von Le monde comme il va bis zu Candide, das Thema des Krieges aufgegriffen, die divergierenden Interessen der Herrschenden als dessen Entstehungsursachen aufgezeigt und die schrecklichen Konsequenzen des Krieges für die betroffenen Menschen in aufrüttelnden Schilderungen angeprangert, die leider bis heute nichts an Aktualität eingebüßt haben. Hierzu ein Beispiel aus Candide, wo der Held eben eine furchtbare Schlacht überlebt hat: „(Candide) stieg über Berge von Toten und Sterbenden und erreichte zunächst ein benachbartes Dorf, das in Schutt und Asche lag... Hier sahen über und über mit Wunden bedeckte Greise zu, wie ihre Frauen erwürgt wurden und noch im Sterben ihre Kinder an die blutenden Brüste preßten. Dort hauchten Mädchen mit aufgeschlitzten Bäuchen ihre letzten Seufzer aus, nachdem einige Helden ihre natürlichen Bedürfnisse an ihnen befriedigt hatten. Andere, die halb verbrannt waren, flehten schreiend um den Gnadenstoß – und ringsum bedeckten Gehirne neben abgehauenen Armen und Beinen den Boden.“ Viele andere Episoden geißeln in nicht weniger schockierenden, reale Sachverhalte spiegelnden Bildern despotischen Machtmißbrauch und Ämterschacher, religiösen Fanatismus und Verfolgungen, moralische Heuchelei und Justizgreuel, Verschwendungssucht und ungerechte Besteuerung wie ihre Kehrseite – hoffnungslose soziale Not für breite Volksschichten.
    Berühmtestes Beispiel für die Anwendung des verfremdenden Kontrastes bei Voltaire ist die bereits in den Lettres philosophiques enthaltene Schilderung der Londoner Börse mit der Nebeneinanderstellung von Religion und Geschäft: „Treten Sie in die Londoner Börse ein, diesen Ort, der achtenswerter ist als viele Höfe; sie sehen dort die Abgeordneten aller Nationen zum Nutzen der Menschen versammelt.
    Neben der großen Wirkung Bayles und Fontenelles gelangen politische, naturwissenschaftliche und religionsphilosophische Gedanken englischer Philosophen (Hume, Locke) durch die Vermittlung Montesquicus und Voltaires in Frankreich in Umlauf.
    In beiden Gattungen ist Voltaire modellbildend, der lange vor seinen “contes philosophiques” in Auseinandersetzung mit dem religiösen Lehrgedicht etwa des Jansenisten Louis Racine schon seit 1722 das philosophische Lehrgedicht pflegt und sehr früh auch die “tragédie philosophique” einführt, um sein Welt- und Menschenbild publikumswirksam zum Ausdruck zu bringen.
    4 references
    Selbst wenn Voltaire Fontenelle als Akademiesekretär in Micromegas (1752) karikiert, ist seine Religionskritik dennoch von dessen witzigen Anekdoten und >reductiones ad absurdum< des Aberglaubens stark beeinflusst.
    Voltaire hat im Philosophischen Taschenwörterbuch nicht den Weg einer antireligiösen Predigt eingeschlagen – das hat ihm vielleicht zu einem dauerhafteren Ruhm verholfen. Vielmehr greift er vereinzelt die Vorstellungen und Behauptungen des traditionellen ideologischen Systems auf, analysiert deren Konsistenz, indem er sie an ihrer historischen Verwirklichung oder Auswirkung überprüft. Er verwendet gerne dialogische Formen: Dialog mit dem Leser, Dialog zwischen dem Autor oder seiner Gruppe (»nous«) und den Vertretern der traditionellen Vorstellungen; Dialog zwischen Personen, die im Aberglauben befangen sind oder – nach Meinung des außenstehenden Betrachters – es zumindest sein sollten;
    Voltaires Überzeugung von einer natürlichen menschlichen Moral wird man also nicht als sein einziges oder letztes Wort nehmen dürfen. [30] Der Glaube an die Unsterblichkeit der Seele halte das niedere Volk in Schach, dem Vernunft und damit das Streben nach dem höchsten Gut fehle; die gehobenen Stände möchten sich wohl ohne solchen Aberglauben honett aufführen - das meinte schon vor Voltaire ein Skeptiker, der Marquis d’Argens. [31] Auch politische und ökonomische Probleme oder Reformen diskutieren Voltaire und d’Holbach mit spürbarer Distanz gegenüber den Interessen der Mehrheit des dritten Standes.
    Voltaires Einfluss und Rolle bleiben entscheidend im Kampf gegen Despotie, Aberglaube und Intoleranz.
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    Die in Oxford erscheinende Werkausgabe, die 2018 abgeschlossen sein soll, ist auf 200 Bände angelegt, wird über 700 Einzeltexte sowie mindestens 21000 Briefe von und an Voltaire umfassen, Tausende von Versen in allen Stillagen, Dutzende von Erzählungen aller Art, fast 30 Tragödien, rund 20 Komödien, ein nationales Heldenepos (La Henriade), ein komisch-heroisches Versepos (La pucelle), ein polemisches Wörterbuch, zahlreiche historiographische Schriften, gelehrte und naturwissenschaftliche Abhandlungen sowie philosophische Texte.
    Da Voltaire schon Bekanntschaft mit der Bastille gemacht und infolge dieser Publikation Repressionen zu befürchten hat, lebt er nun 15 Jahre mit der Marquise Du Chatelet auf deren Landsitz in Cirey zusammen, wo das Paar den bereits erwähnten gemeinsamen philosophischen und naturwissenschaftlichen Interessen nachgeht, denen sich Voltaires Elements de la philosophie de Newton (1738/1741) verdanken.
    Voltaire’s Beurteilung ist oft eine kleinlich - mäkelnde und der tiefergehenden Gesichtspunkte entbehrende, wenngleich sie vieles Richtige trifft und da auch von unverkennbarer Sympathie zeugt, wo Grimm und Voltaire zusammen gegen Kirchenglauben und die überlebte Philosophie eines Descartes Front machen konnten.
    Stets Herr seines Schicksals, läßt er sich durch nichts aus der Fassung bringen; weder Ungnade noch Gefängnis noch Unbilden aller Art vermögen ihn zu hindern, seine Sendung zu erfüllen, deren er sich wohl bewußt ist: „J’ai fait tout ce que j’ai pu, toute ma vie, pour contribuer à étendre cet esprit de philosophie et de tolérance qui semble aujourd’hui caractériser le siècle.“ Darüber hinaus stellt er sich auch die Fragen nach dem Sinn des Lebens, nach dem Woher und Wohin, nach Gott und Unsterblichkeit, er stellt sie und beantwortet sie nach besten Kräften im Sinne seines Jahrhunderts.
    Voltaire hat im Philosophischen Taschenwörterbuch nicht den Weg einer antireligiösen Predigt eingeschlagen – das hat ihm vielleicht zu einem dauerhafteren Ruhm verholfen. Vielmehr greift er vereinzelt die Vorstellungen und Behauptungen des traditionellen ideologischen Systems auf, analysiert deren Konsistenz, indem er sie an ihrer historischen Verwirklichung oder Auswirkung überprüft. Er verwendet gerne dialogische Formen: Dialog mit dem Leser, Dialog zwischen dem Autor oder seiner Gruppe (»nous«) und den Vertretern der traditionellen Vorstellungen; Dialog zwischen Personen, die im Aberglauben befangen sind oder – nach Meinung des außenstehenden Betrachters – es zumindest sein sollten; Dialog zwischen zwei Vertretern nichtchristlicher Religionen; Dialog zwischen einem Vertreter der Philosophie und einem aufgeklärten Vertreter des Christentums (»Catéchisme du Curé«).
    Vision de Babouc (1748), Candide ou l’Optimisme (1759) Der vornehme Perser aus Montesquieus Briefroman ist aufgebrochen, »um mühevoll die Weisheit zu suchen« ; auch Candide und Babouc, die kritischen Reisenden der beiden philosophischen Erzählungen Voltaires, folgen diesem Ziel; allerdings sind sie nicht in die Vorurteile ihrer eigenen Kultur verstrickt - wie Usbek etwa in die Vorstellungswelt des orientalischen Despotismus.
    Hauptvertreter des conte philosophique bleibt Voltaire mit: Micromégas (1752) und Candide (1759). Die ironisch-verfremden-de Erzählweise dient ihm dazu, seine philosophischen Thesen und Standpunkte zu illustrieren (s.
    Obschon Voltaire der klassischen Dramaturgie formal verhaftet bleibt, gehen von ihm entscheidende Impulse für eine Auflösung des starren Regelkorsetts aus: Indem er neben antiken Stoffen auch neue Stoffkreise für seine philosophischen Tragödien fruchtbar macht - vor allem die nationale Geschichte („Zaire“, 1732; „Adélaïde du Gues-clin“, 1734) und außereuropäische Stoffe -und damit zugleich als exotisch geltende Handlungsorte für salonfähig erklärt - etwa Peru („Alzire“, 1736), den Nahen Osten („Le fanatisme ou Mahomet le prophète“, 1741) und China („L’orphelin de la Chine“, 1755) - überwindet er die doctrine classique bereits thematisch.
    Wie schon in Voltaires Candide, werden auch in diesem Roman philosophische Positionen auf die lebensweltliche Probe gestellt.
    Als Symbol der Aufklärung gilt auch weiterhin Voltaire, weil er mit seinem Schlachtruf „Ecrasez l’Infäme“ nicht nur in seinem literarischen Œuvre gegen Intoleranz, Korruption, Willkür, Ungerechtigkeit und Amtsmißbrauch polemisiert, sondern weil er maßgeblich zur Etablierung eines philosophisch-antitheologischen Geschichtskonzepts beiträgt („Le siècle de Louis XIV“, 1752; „Essai sur l’histoire générale et sur les mœurs et l’esprit des nations depuis Charlemagne jusqu’à nos jours“, 1756) und sowohl in seinen philosophischen Werken („Dictionnaire philosophique portatif“, 1764; „Questions sur ['Encyclopédie“, 1770-72) als auch in zahllosen Protest-, Spott- und Kampfschriften politische und soziale Mißstände anprangert.
    Der um die Jahrhundertmitte von Voltaire begründete conte philosophique dient der ironisch-satirischen Illustration philosophischer Thesen und der Kritik an zeitgenössischen Mißständen („Candide ou L’optimisme“, 1759).
    In beiden Gattungen ist Voltaire modellbildend, der lange vor seinen “contes philosophiques” in Auseinandersetzung mit dem religiösen Lehrgedicht etwa des Jansenisten Louis Racine schon seit 1722 das philosophische Lehrgedicht pflegt und sehr früh auch die “tragédie philosophique” einführt, um sein Welt- und Menschenbild publikumswirksam zum Ausdruck zu bringen.
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    Von bürgerlicher Herkunft, bringt es Voltaire als geschickter Geschäftsmann und Spekulant zu einem großen Vermögen; mit Le mondain (1736) verfasst er ein Lobgedicht auf den in der späteren Aufklärung heftig umstrittenen, von Rousseau verdammten Luxus.
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    Der junge Voltaire versucht sich als Tragödiendichter. 1718 wird (Edipe uraufgeführt, es folgen zahlreiche Tragödien, teils mit antiken, teils mit exotischen Stoffen (Brutus, 1730; Zaire, 1732; La mort de Cesar, 1733; Fanatisme ou Maho-met le prophete, 1741, eine Tragödie, die Voltaire dem Papst widmen will; Merope, 1743; Semiramis, 1748; L’orphelin de la Chine, 1755; Tancrede, 1760; Saül, 1763; Sophonisbe, 1770).
    Voltaire ist seit 1745 offizieller Historiograph Ludwigs XV. Noch während seines Aufenthalts in Potsdam bringt er 1751 sein Geschichtswerk Le siècle de Louis XIV heraus. Damit beansprucht er einen herausragenden Rang in der nationalen Traditionssicherung Frankreichs, wie auch mit seinen Tragödien und seiner Henriade (ab 1723), in der Henri IV in zehn Gesängen als Nationalheld gerühmt wird.
    Mon)1 (,196g) Autoren und Werke Voltaire Zu Voltaires Tragödien siehe das Autorenportrait Voltaire.
    In beiden Gattungen ist Voltaire modellbildend, der lange vor seinen “contes philosophiques” in Auseinandersetzung mit dem religiösen Lehrgedicht etwa des Jansenisten Louis Racine schon seit 1722 das philosophische Lehrgedicht pflegt und sehr früh auch die “tragédie philosophique” einführt, um sein Welt- und Menschenbild publikumswirksam zum Ausdruck zu bringen.
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    Der junge Voltaire versucht sich als Tragödiendichter. 1718 wird (Edipe uraufgeführt, es folgen zahlreiche Tragödien, teils mit antiken, teils mit exotischen Stoffen (Brutus, 1730; Zaire, 1732; La mort de Cesar, 1733; Fanatisme ou Maho-met le prophete, 1741, eine Tragödie, die Voltaire dem Papst widmen will; Merope, 1743; Semiramis, 1748; L’orphelin de la Chine, 1755; Tancrede, 1760; Saül, 1763; Sophonisbe, 1770).
    Obschon Voltaire der klassischen Dramaturgie formal verhaftet bleibt, gehen von ihm entscheidende Impulse für eine Auflösung des starren Regelkorsetts aus: Indem er neben antiken Stoffen auch neue Stoffkreise für seine philosophischen Tragödien fruchtbar macht - vor allem die nationale Geschichte („Zaire“, 1732; „Adélaïde du Gues-clin“, 1734) und außereuropäische Stoffe -und damit zugleich als exotisch geltende Handlungsorte für salonfähig erklärt - etwa Peru („Alzire“, 1736), den Nahen Osten („Le fanatisme ou Mahomet le prophète“, 1741) und China („L’orphelin de la Chine“, 1755) - überwindet er die doctrine classique bereits thematisch.
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    Der junge Voltaire versucht sich als Tragödiendichter. 1718 wird (Edipe uraufgeführt, es folgen zahlreiche Tragödien, teils mit antiken, teils mit exotischen Stoffen (Brutus, 1730; Zaire, 1732; La mort de Cesar, 1733; Fanatisme ou Maho-met le prophete, 1741, eine Tragödie, die Voltaire dem Papst widmen will; Merope, 1743; Semiramis, 1748; L’orphelin de la Chine, 1755; Tancrede, 1760; Saül, 1763; Sophonisbe, 1770).
    Obschon Voltaire der klassischen Dramaturgie formal verhaftet bleibt, gehen von ihm entscheidende Impulse für eine Auflösung des starren Regelkorsetts aus: Indem er neben antiken Stoffen auch neue Stoffkreise für seine philosophischen Tragödien fruchtbar macht - vor allem die nationale Geschichte („Zaire“, 1732; „Adélaïde du Gues-clin“, 1734) und außereuropäische Stoffe -und damit zugleich als exotisch geltende Handlungsorte für salonfähig erklärt - etwa Peru („Alzire“, 1736), den Nahen Osten („Le fanatisme ou Mahomet le prophète“, 1741) und China („L’orphelin de la Chine“, 1755) - überwindet er die doctrine classique bereits thematisch.
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    Zwischen 1726 und 1728 hält Voltaire sich in England auf, wo sich ihm die Vorzüge der konstitutionellen Monarchie, der englische Empirismus, die Theorien Newtons wie die Dramen Shakespeares offenbaren. 1734 erscheinen ohne Druckerlaubnis seine Lettres philosophiques, in denen er die französischen Leser mit den mannigfachen Vorzügen der englischen Politik und Kultur, vor allem der Praxis weitgehender religiöser Toleranz vertraut macht (1733 unter dem Titel Lettres anglaises in London erschienen).
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    Zwischen 1726 und 1728 hält Voltaire sich in England auf, wo sich ihm die Vorzüge der konstitutionellen Monarchie, der englische Empirismus, die Theorien Newtons wie die Dramen Shakespeares offenbaren. 1734 erscheinen ohne Druckerlaubnis seine Lettres philosophiques, in denen er die französischen Leser mit den mannigfachen Vorzügen der englischen Politik und Kultur, vor allem der Praxis weitgehender religiöser Toleranz vertraut macht (1733 unter dem Titel Lettres anglaises in London erschienen).
    Auch in seinen Tragödien, mit denen er ab 1718 bis zu seinem Todesjahr 1778 große Triumphe feiert, verfolgt Voltaire seinen Feldzug gegen Willkür, Gewaltherrschaft, Intoleranz, Fanatismus, Unterdrückung und Ungerechtigkeit. Eine weitaus offenere Kritik an diesen Mißständen findet sich in seinen „Lettres philosophiques" (1734), in denen er Frankreich durch den Vergleich mit der in England verwirklichten Religionsfreiheit, konstitutionellen Monarchie und Meinungsfreiheit kritisiert.
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    Voltaire lässt seinen Aufenthalt in Sanssouci später in seinen amüsanten Memoires pour servir a la vie de M. de Voltaire, ecrits par lui-meme (geschrieben 1758/1759) ironisch Revue passieren, in denen er auch die Homosexualität des Monarchen genüsslich verspottet.
    Voltaire wird diese Spekulation in seiner scharfsinnigen Erzählung Micromégas (Y/Sl) aufnehmen und damit dem Vorgänger eine spöttische Huldigung darbringen.
    Diese beiden Bewertungsskalen entsprechen in etwa den Vorstellungen eines bürgerlichen oder eines adligen Publikums. [68] Als philosophischer Betrachter oder Erzähler hat Voltaire sich außerhalb eines eindeutigen ständischen Engagements gestellt; die Ironie seiner Beobachtungen kann gegen den Adel gerichtet sein und die Bürgerlichen amüsieren oder umgekehrt; der Spott kann dem Klerus gelten und die übrigen Stände unterhalten; der Spott kann auf die Unvollkommenheit der menschlichen Verhältnisse überhaupt gemünzt sein und findet Gehör bei »Philosophen« sowie Angehörigen aller drei Stände.
    Die Charaktere selbst werden von Voltaire am Anfang wie am Ende mit physischen oder psychischen Schwächen ausgestattet und deswegen verspottet: Der respektablen, dreieinhalb Zentner gewichtigen Madame la baronne des 1.
    Als Symbol der Aufklärung gilt auch weiterhin Voltaire, weil er mit seinem Schlachtruf „Ecrasez l’Infäme“ nicht nur in seinem literarischen Œuvre gegen Intoleranz, Korruption, Willkür, Ungerechtigkeit und Amtsmißbrauch polemisiert, sondern weil er maßgeblich zur Etablierung eines philosophisch-antitheologischen Geschichtskonzepts beiträgt („Le siècle de Louis XIV“, 1752; „Essai sur l’histoire générale et sur les mœurs et l’esprit des nations depuis Charlemagne jusqu’à nos jours“, 1756) und sowohl in seinen philosophischen Werken („Dictionnaire philosophique portatif“, 1764; „Questions sur ['Encyclopédie“, 1770-72) als auch in zahllosen Protest-, Spott- und Kampfschriften politische und soziale Mißstände anprangert.
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    In den berühmten Justizaffären Calas, La Barre und Sirven setzt Voltaire sein polemisches Talent, seine Militanz und sein juristisches Geschick ein, um die Öffentlichkeit gegen den herrschenden religiösen Fanatismus und die Ungerechtigkeiten des französischen Rechtssystems zu mobilisieren (Traite sur la tolerance, a l'occasion de la mort de Jean Calas, 1763).
    Voltaires Contes fügen sich somit organisch in seinen weltanschaulichen Entwicklungsprozeß ein. Damit erhebt sich zugleich die Frage, wie er denn sein weltanschauliches Anliegen mit den an die Contes zu stellenden literarisch-ästhetischen Anforderungen zu verbinden vermochte. Mußte diese vordringlich ideologisch-didaktische Funktion seiner Contes nicht zwangsläufig deren literarischen Wert mindern oder überhaupt in Frage stellen? Faßt man die Handlung der verschiedenen Contes philosophiques ins Auge, die Fülle von unglaublichen Abenteuern und phantastischen Geschehnissen, die zahlreichen Zutaten aus orientalischen Märchen und der europäischen Feenwelt, so scheint der Abbildcharakter dieser Literatur zunächst in Frage gestellt. Bei einer aufmerksameren Betrachtung bietet sich jedoch ein weit anderes Bild. Sieht man von der willkürlichen, dennoch einer bestimmten Absicht entsprechenden Verknüpfung der Geschehnisse ab, bemüht man sich, den Schleier der phantastisch-exotischen Verhüllung zu zerreißen, so präsentieren die Contes dem Leser mit einemmal eine Fülle von zutiefst realistischen Details und Episodenschilderungen, wie sie in ihrer prägnanten Deutlichkeit und Schärfe kaum zu übertreffen sind. So werden an zahlreichen Stellen, angefangen von Le monde comme il va bis zu Candide, das Thema des Krieges aufgegriffen, die divergierenden Interessen der Herrschenden als dessen Entstehungsursachen aufgezeigt und die schrecklichen Konsequenzen des Krieges für die betroffenen Menschen in aufrüttelnden Schilderungen angeprangert, die leider bis heute nichts an Aktualität eingebüßt haben. Hierzu ein Beispiel aus Candide, wo der Held eben eine furchtbare Schlacht überlebt hat: „(Candide) stieg über Berge von Toten und Sterbenden und erreichte zunächst ein benachbartes Dorf, das in Schutt und Asche lag... Hier sahen über und über mit Wunden bedeckte Greise zu, wie ihre Frauen erwürgt wurden und noch im Sterben ihre Kinder an die blutenden Brüste preßten. Dort hauchten Mädchen mit aufgeschlitzten Bäuchen ihre letzten Seufzer aus, nachdem einige Helden ihre natürlichen Bedürfnisse an ihnen befriedigt hatten. Andere, die halb verbrannt waren, flehten schreiend um den Gnadenstoß – und ringsum bedeckten Gehirne neben abgehauenen Armen und Beinen den Boden.“ Viele andere Episoden geißeln in nicht weniger schockierenden, reale Sachverhalte spiegelnden Bildern despotischen Machtmißbrauch und Ämterschacher, religiösen Fanatismus und Verfolgungen, moralische Heuchelei und Justizgreuel, Verschwendungssucht und ungerechte Besteuerung wie ihre Kehrseite – hoffnungslose soziale Not für breite Volksschichten.
    Auch in seinen Tragödien, mit denen er ab 1718 bis zu seinem Todesjahr 1778 große Triumphe feiert, verfolgt Voltaire seinen Feldzug gegen Willkür, Gewaltherrschaft, Intoleranz, Fanatismus, Unterdrückung und Ungerechtigkeit.
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    In den berühmten Justizaffären Calas, La Barre und Sirven setzt Voltaire sein polemisches Talent, seine Militanz und sein juristisches Geschick ein, um die Öffentlichkeit gegen den herrschenden religiösen Fanatismus und die Ungerechtigkeiten des französischen Rechtssystems zu mobilisieren (Traite sur la tolerance, a l'occasion de la mort de Jean Calas, 1763).
    Der allmächtige Reiche und der machtlose Arme Bei Voltaires Auseinandersetzung mit dem Problem der Theodizee ist es dardm gegangen, ob und in welchem Sinn der einzelne eine Schöpfung akzeptiert, in 3er Gutes und Böses, Selbstlosigkeit und himmelschreiende Ungerechtigkeit, Vernürv11' ges und Unvernünftiges auf wenig harmonische Weise miteinander vermischt siPd-Die Lösung der Frage oder das resignierte Schweigen sind Probleme der individuell6'11 moralischen Beurteilung und Lebensführung.
    Voltaires Contes fügen sich somit organisch in seinen weltanschaulichen Entwicklungsprozeß ein. Damit erhebt sich zugleich die Frage, wie er denn sein weltanschauliches Anliegen mit den an die Contes zu stellenden literarisch-ästhetischen Anforderungen zu verbinden vermochte. Mußte diese vordringlich ideologisch-didaktische Funktion seiner Contes nicht zwangsläufig deren literarischen Wert mindern oder überhaupt in Frage stellen? Faßt man die Handlung der verschiedenen Contes philosophiques ins Auge, die Fülle von unglaublichen Abenteuern und phantastischen Geschehnissen, die zahlreichen Zutaten aus orientalischen Märchen und der europäischen Feenwelt, so scheint der Abbildcharakter dieser Literatur zunächst in Frage gestellt. Bei einer aufmerksameren Betrachtung bietet sich jedoch ein weit anderes Bild. Sieht man von der willkürlichen, dennoch einer bestimmten Absicht entsprechenden Verknüpfung der Geschehnisse ab, bemüht man sich, den Schleier der phantastisch-exotischen Verhüllung zu zerreißen, so präsentieren die Contes dem Leser mit einemmal eine Fülle von zutiefst realistischen Details und Episodenschilderungen, wie sie in ihrer prägnanten Deutlichkeit und Schärfe kaum zu übertreffen sind. So werden an zahlreichen Stellen, angefangen von Le monde comme il va bis zu Candide, das Thema des Krieges aufgegriffen, die divergierenden Interessen der Herrschenden als dessen Entstehungsursachen aufgezeigt und die schrecklichen Konsequenzen des Krieges für die betroffenen Menschen in aufrüttelnden Schilderungen angeprangert, die leider bis heute nichts an Aktualität eingebüßt haben. Hierzu ein Beispiel aus Candide, wo der Held eben eine furchtbare Schlacht überlebt hat: „(Candide) stieg über Berge von Toten und Sterbenden und erreichte zunächst ein benachbartes Dorf, das in Schutt und Asche lag... Hier sahen über und über mit Wunden bedeckte Greise zu, wie ihre Frauen erwürgt wurden und noch im Sterben ihre Kinder an die blutenden Brüste preßten. Dort hauchten Mädchen mit aufgeschlitzten Bäuchen ihre letzten Seufzer aus, nachdem einige Helden ihre natürlichen Bedürfnisse an ihnen befriedigt hatten. Andere, die halb verbrannt waren, flehten schreiend um den Gnadenstoß – und ringsum bedeckten Gehirne neben abgehauenen Armen und Beinen den Boden.“ Viele andere Episoden geißeln in nicht weniger schockierenden, reale Sachverhalte spiegelnden Bildern despotischen Machtmißbrauch und Ämterschacher, religiösen Fanatismus und Verfolgungen, moralische Heuchelei und Justizgreuel, Verschwendungssucht und ungerechte Besteuerung wie ihre Kehrseite – hoffnungslose soziale Not für breite Volksschichten.
    Auch in seinen Tragödien, mit denen er ab 1718 bis zu seinem Todesjahr 1778 große Triumphe feiert, verfolgt Voltaire seinen Feldzug gegen Willkür, Gewaltherrschaft, Intoleranz, Fanatismus, Unterdrückung und Ungerechtigkeit.
    Als Symbol der Aufklärung gilt auch weiterhin Voltaire, weil er mit seinem Schlachtruf „Ecrasez l'Infâme“ nicht nur in seinem literarischen Œuvre gegen Intoleranz, Korruption, Willkür, Ungerechtigkeit und Amtsmißbrauch polemisiert, sondern weil er maßgeblich zur Etablierung eines philosophisch-antitheologischen Geschichtskonzepts beiträgt („Le siècle de Louis XIV“, 1752; „Essai sur l’histoire générale et sur les mœurs et l’esprit des nations depuis Charlemagne jusqu’à nos jours“, 1756) und sowohl in seinen philosophischen Werken („Dictionnaire philosophique portatif“, 1764; „Questions sur l'Encyclopédie“, 1770-72) als auch in zahllosen Protest-, Spott- und Kampfschriften politische und soziale Mißstände anprangert. Er engagiert sich zudem in verschiedenen Justizskandalen (vgl. den „Traité sur la tolérance à l’occasion de la mort de Jean Calas“, 1763) und attackiert anti-philosophes wie Fréron, Moreau und Palissot, die ihrerseits seit Ende der 50er Jahre massiv in Erscheinung treten und die Aufklärer angreifen:
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    Voltaire ist seit 1745 offizieller Historiograph Ludwigs XV. Noch während seines Aufenthalts in Potsdam bringt er 1751 sein Geschichtswerk Le siecle de Louis XIV heraus. Seit 1755 arbeitet Voltaire mit an der Encyclopedie, Wenig später entsteht sein Dictionnaire philosophique portatif ou La raison par alphabet (1764/1769) im handlichen, erschwinglichen Taschenbuchformat, das er dem totalen und exklusiven Aufklärungsanspruch der vielbändigen, teuren und aufwendigen Encyclopedie entgegen setzt: »Jamais vingt volumes in folio ne feront de revolution; ce sont les petits livres portatifs a trente sous qui sont a craindre« (Brief an d'Alembert).
    Und doch paart sich mit dieser Feigheit ein ganz ungewöhnlicher Freimut; Voltaire wagt zu sagen, was sonst niemand sagte, höchstens dachte; er richtet unentwegt seine Angriffe gegen alles durch Tradition und Vorurteile Sanktionierte, gegen alles, was den Menschen knechtet und fesselt.
    Voltaire hat im Philosophischen Taschenwörterbuch nicht den Weg einer antireligiösen Predigt eingeschlagen – das hat ihm vielleicht zu einem dauerhafteren Ruhm verholfen. Vielmehr greift er vereinzelt die Vorstellungen und Behauptungen des traditionellen ideologischen Systems auf, analysiert deren Konsistenz, indem er sie an ihrer historischen Verwirklichung oder Auswirkung überprüft. Er verwendet gerne dialogische Formen: Dialog mit dem Leser, Dialog zwischen dem Autor oder seiner Gruppe (»nous«) und den Vertretern der traditionellen Vorstellungen;
    Die exempelhafte Vereinfachung in seiner Darstellung schafft die Voraussetzung für die antithetischen Gegenüberstellungen von traditionellem Weltbild und gesellschaftlicher Realität.
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    Voltaire verwendet oft märchenhafte, teilweise an Tausendundeine Nacht anknüpfende Elemente und Handlungsmuster, spielt mit romanesken Gattungstraditionen und bedient sich unterschiedlicher Techniken der Relativierung (nach Rabelais und Swift spielt auch Voltaire den Gegensatz von riesenhafter Größe und mikroskopisch Kleinem aus) sowie holzschnittartiger Dialoge.
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    In der Beurteilung der Katastrophe geraten Voltaire und Rousseau aneinander. 1756 veröffentlicht Voltaire sein Poeme sur le desastre de Lisbonne und äußert Zweifel an der von Leibniz behaupteten prästabilierten Harmonie und sieht die Katastrophe als Krise des metaphysischen Optimismus eines Leibniz, Wolff und Pope an, denn die bestehende kann nicht die beste aller möglichen Welten sein.
    Der allmächtige Reiche und der machtlose Arme Bei Voltaires Auseinandersetzung mit dem Problem der Theodizee ist es dardm gegangen, ob und in welchem Sinn der einzelne eine Schöpfung akzeptiert, in 3er Gutes und Böses, Selbstlosigkeit und himmelschreiende Ungerechtigkeit, Vernürv11' ges und Unvernünftiges auf wenig harmonische Weise miteinander vermischt siPd-Die Lösung der Frage oder das resignierte Schweigen sind Probleme der individuell6'11 moralischen Beurteilung und Lebensführung.
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    In der Beurteilung der Katastrophe geraten Voltaire und Rousseau aneinander. 1756 veröffentlicht Voltaire sein Poeme sur le desastre de Lisbonne und äußert Zweifel an der von Leibniz behaupteten prästabilierten Harmonie und sieht die Katastrophe als Krise des metaphysischen Optimismus eines Leibniz, Wolff und Pope an, denn die bestehende kann nicht die beste aller möglichen Welten sein.
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    Die Ernsthaftigkeit des gewitzten Voltaire, seine Militanz und sein aufklärerisches Ethos wurzeln in seinem Pragmatismus und einem Universalis-mus, der das Wirken der Vernunft immer und überall für wünschenswert und realisierbar hält; einem Universalismus, der auch die Moral betrifft: »Il n'y a qu'une morale [...] comme il n'y a qu'une geometrie« (Artikel »morale« im Dic-tionnaire philosophique).
    Ein Erzähler überträgt einer Mehrzahl von Erzählfiguren die Aufgabe, ihre Erzählungen wiederzugeben und umfaßt diese nicht nur mit einer Rahmenerzählung, sondern mit einem Ereignisse, Teilnehmer und Erzähler bestimmenden oder lenkenden allgemeinen Thema: mit der Idee, daß Schein und Sein die Hofgesellschaft bestimmen („Hepta-méron“); mit der Idee, daß vernünftiges Handeln auf Erfahrungen beruht, die alle Menschen miteinander teilen (Voltaire, „Candide“, 1759; Bruno, „Le tour de la France par deux enfants“, 1877); mit der Idee, daß der Mensch sich selbst das Paradies und dem Nächsten die Hölle ist (Sade, „Les 120 journées de Sodome“, 1782/85).
    Die Verwendung fremdartiger oder kakophonischer Namen, die Kombination mythologischer Vorstellungen mit solchen aus dem Bereich der Magistratur (die Göttin der Fruchtbarkeit präsidiert einer Versammlung der Getreidesorten), die Verbindung der Götter mit banalen menschlichen Aktivitäten (... hackt einen Wald ab) oder die Kombination des Machbaren mit dem damals noch unmöglich Erscheinenden (Mahomed reist in den Himmel) vermitteln unmittelbar die Einsicht, daß bestimmte religiöse Vorstellungen, welcher Herkunft sie auch immer sein mögen, vor der Vernunft nicht bestehen können. Voltaire fügt dieser Kritik eine sozialpsychologische und sozialgeschichtliche Begründung der Auswirkung religiöser Vorurteile an.
    Voltaire, der sich an dem englischen Sensualismus und Empirismus orientiert hat [65], zeigt das Bewußtsein seiner Figuren zwar nicht im Zustand eines unbeschriebenen weißen Papiers, der »tabula rasa«; er stattet sie mit Vernunft und Urteilsfähigkeit aus, versetzt sie aber dann in eine unerwartete Abfolge von Geschehnissen, die sie zunächst nicht als eine Kette von Ursache und Wirkung verste en, die Ereignisse stürzen zufällig auf sie ein, und sie sind aufs erste auch nicht in er Lage, einen Zusammenhang zwischen diesen Ereignissen zu erkennen.
    Der allmächtige Reiche und der machtlose Arme Bei Voltaires Auseinandersetzung mit dem Problem der Theodizee ist es dardm gegangen, ob und in welchem Sinn der einzelne eine Schöpfung akzeptiert, in 3er Gutes und Böses, Selbstlosigkeit und himmelschreiende Ungerechtigkeit, Vernürv11' ges und Unvernünftiges auf wenig harmonische Weise miteinander vermischt siPd-Die Lösung der Frage oder das resignierte Schweigen sind Probleme der individuell6'11 moralischen Beurteilung und Lebensführung.
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    Dies gilt auch für unterschiedliche Formen des Historischen (besonders Mittelalter und Renaissance), Fantastischen (Reise auf den Mond, Eldorado, hybride Wesen zwischen Mensch und Tier, Monster), der Utopie (Marivaux, Voltaire, Morelly, Bernardin de Saint-Pierre, Sade) und der Uchronie (Louis-Sebastien Mercier, L'an 2440, reve s'il en fut jamais, 1770/1785/1786).
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    Für ihn galt Voltaire, den wir als den eigentlichen Propheten der Aufklärung betrachten, als ein auf halbem Wege stehen gebliebener, weil er in der Philosophie sich dem Materialismus Diderot’s entgegenstellte, Kunst und Dichtung für unvergänglichere Güter hielt, als die exakte Naturwissenschaft, und vor allem, weil er, in seinen für die Öffentlichkeit bestimmten Schriften wenigstens, sich zum Deismus bekannte.
    Vernunftbeherrscht ist auch Voltaires Verhältnis zur Kunst.
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    Für ihn galt Voltaire, den wir als den eigentlichen Propheten der Aufklärung betrachten, als ein auf halbem Wege stehen gebliebener, weil er in der Philosophie sich dem Materialismus Diderot’s entgegenstellte, Kunst und Dichtung für unvergänglichere Güter hielt, als die exakte Naturwissenschaft, und vor allem, weil er, in seinen für die Öffentlichkeit bestimmten Schriften wenigstens, sich zum Deismus bekannte.
    Thematisch dominiert einerseits die religö-se Dichtung, die etwa Racines Sohn Louis -der sich in seinem Gedicht „La religion“ (1742) gegen Bayle, Locke und Pope richtet - oder Jean Baptiste Rousseau verfassen; andererseits stellt Voltaire die Dichtung bereits in den Dienst seiner Kampagne gegen Intoleranz und Machtmißbrauch.
    Während Voltaire zu den bekanntesten Verfechtern des Verses gehört (“Un mérite de la poésie, dont bien des gens ne se doutent pas, c’est qu’elle dit plus que la prose, et en moins de paroles que la prose”, Artikel “Poètes” des Dictionnaire philosophique von 1764), polemisiert der Abbé Trublet in De la poésie et des poètes von 1760 gegen die Verssprache: “qu’un homme crève de jalousie ou meure de douleur, et que là-dessus, il se mette à faire cent vers, quoi de moins naturel”.
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    Für ihn galt Voltaire, den wir als den eigentlichen Propheten der Aufklärung betrachten, als ein auf halbem Wege stehen gebliebener, weil er in der Philosophie sich dem Materialismus Diderot’s entgegenstellte, Kunst und Dichtung für unvergänglichere Güter hielt, als die exakte Naturwissenschaft, und vor allem, weil er, in seinen für die Öffentlichkeit bestimmten Schriften wenigstens, sich zum Deismus bekannte. Er rede über Gott und das Jenseits wie ein liebenswürdiges Kind, so lautete Grimm’s Urteil.
    Stets Herr seines Schicksals, läßt er sich durch nichts aus der Fassung bringen; weder Ungnade noch Gefängnis noch Unbilden aller Art vermögen ihn zu hindern, seine Sendung zu erfüllen, deren er sich wohl bewußt ist: „J’ai fait tout ce que j’ai pu, toute ma vie, pour contribuer à étendre cet esprit de philosophie et de tolérance qui semble aujourd’hui caractériser le siècle.“ Darüber hinaus stellt er sich auch die Fragen nach dem Sinn des Lebens, nach dem Woher und Wohin, nach Gott und Unsterblichkeit, er stellt sie und beantwortet sie nach besten Kräften im Sinne seines Jahrhunderts.
    Im Unterschied zu materialistisch gesonnenen Aufklärern wie Diderot, d’Holbach oder de Sade hält Voltaire zunächst an der Vorstellung eines belohnenden und strafenden Gottes fest; dieses Vorurteil erscheint ihm unerläßlich für die soziale Reglementierung der großen Menge — wir werden später noch einmal darauf zurückkommen.
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    B. das intolerante Christentum — wird mit den Waffen der Ironie und des Spottes bekämpft und findet fortan bei ihm keine Gnade und kein Verständnis mehr³). Vernunftbeherrscht ist auch Voltaires Verhältnis zur Kunst.
    Voltaire hat im Philosophischen Taschenwörterbuch nicht den Weg einer antireligiösen Predigt eingeschlagen – das hat ihm vielleicht zu einem dauerhafteren Ruhm verholfen. Vielmehr greift er vereinzelt die Vorstellungen und Behauptungen des traditionellen ideologischen Systems auf, analysiert deren Konsistenz, indem er sie an ihrer historischen Verwirklichung oder Auswirkung überprüft. Er verwendet gerne dialogische Formen: Dialog mit dem Leser, Dialog zwischen dem Autor oder seiner Gruppe (»nous«) und den Vertretern der traditionellen Vorstellungen; Dialog zwischen Personen, die im Aberglauben befangen sind oder – nach Meinung des außenstehenden Betrachters – es zumindest sein sollten; Dialog zwischen zwei Vertretern nichtchristlicher Religionen; Dialog zwischen einem Vertreter der Philosophie und einem aufgeklärten Vertreter des Christentums (»Catéchisme du Curé«).
    Voltaire strebt hier keine äußere Detailtreue an. Ohne Bedenken legt er einem ungebildeten Sklaven Worte in den Mund, die dessen geistigen Horizont weit übersteigen. Dennoch hat seine Aussage einen zutiefst realistischen Gehalt, da sie real existierende Zusammenhänge gesellschaftlicher Erscheinungen ins Bewußtsein hebt. Mit der bildhaften und abrupten Nebeneinanderstellung von Sklavenelend, Zuckerverbrauch in Europa und christlicher Missionstätigkeit werden an sich bekannte Sachverhalte gleichsam „verfremdet“, in ein neues Licht gerückt, das die sonst verdeckten und unbeachtete Beziehungen zwischen ihnen erhellt.
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    Weil die Gemütskräfte in Voltaire nur in geringem Maße vorhanden und schlecht entwickelt sind, ist er der echten dichterischen Begeisterung nicht fähig und verliert sich in rhetorisches Pathos. Er ist ein schlechter Darsteller menschlicher Gefühle und Leidenschaften, weil er sie selbst wohl kaum je in ihrer elementaren Gewalt innerlich erlebte, sondern sie vielmehr in eine Form, ein System zu bannen suchte.
    Voltaires leidenschaftlicher Appell für die unschuldig Verfolgten Calas, Sirven und La Barre, die in den sechziger Jahren Opfer eines verbrecherischen religiösen Fanatismus wurden, schwingen noch mit im Ingénu (1767; „Das Naturkind“), dem einzigen Conte Voltaires, wo direkt das Mitgefühl der Leser mit den literarischen Helden angesprochen wird.
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    Weil die Gemütskräfte in Voltaire nur in geringem Maße vorhanden und schlecht entwickelt sind, ist er der echten dichterischen Begeisterung nicht fähig und verliert sich in rhetorisches Pathos. Er ist ein schlechter Darsteller menschlicher Gefühle und Leidenschaften, weil er sie selbst wohl kaum je in ihrer elementaren Gewalt innerlich erlebte, sondern sie vielmehr in eine Form, ein System zu bannen suchte.
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    Die meisten Werke Voltaires sind tendenziös und huldigen den Ideen, die er als vernunftgemäß richtig erkannt hat, vor allem Aufklärung und Toleranz.
    Voltaires Einfluss und Rolle bleiben entscheidend im Kampf gegen Despotie, Aberglaube und Intoleranz.
    Auch in seinen Tragödien, mit denen er ab 1718 bis zu seinem Todesjahr 1778 große Triumphe feiert, verfolgt Voltaire seinen Feldzug gegen Willkür, Gewaltherrschaft, Intoleranz, Fanatismus, Unterdrückung und Ungerechtigkeit.
    Thematisch dominiert einerseits die religö-se Dichtung, die etwa Racines Sohn Louis -der sich in seinem Gedicht „La religion“ (1742) gegen Bayle, Locke und Pope richtet - oder Jean Baptiste Rousseau verfassen; andererseits stellt Voltaire die Dichtung bereits in den Dienst seiner Kampagne gegen Intoleranz und Machtmißbrauch.
    Als Symbol der Aufklärung gilt auch weiterhin Voltaire, weil er mit seinem Schlachtruf „Ecrasez l’Infäme“ nicht nur in seinem literarischen Œuvre gegen Intoleranz, Korruption, Willkür, Ungerechtigkeit und Amtsmißbrauch polemisiert, sondern weil er maßgeblich zur Etablierung eines philosophisch-antitheologischen Geschichtskonzepts beiträgt („Le siècle de Louis XIV“, 1752; „Essai sur l’histoire générale et sur les mœurs et l’esprit des nations depuis Charlemagne jusqu’à nos jours“, 1756) und sowohl in seinen philosophischen Werken („Dictionnaire philosophique portatif“, 1764; „Questions sur ['Encyclopédie“, 1770-72) als auch in zahllosen Protest-, Spott- und Kampfschriften politische und soziale Mißstände anprangert.
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    Niemand wird bestreiten, daß Voltaire ein eifriger Wahrheits-Forscher und -Künder gewesen ist.
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    Kaum eine Schrift Voltaires hätte diesen Prüfungen auf Gotteslästerliches, Staatsgefährliches, Unsittliches standhalten können.
    Deutliche Angriffe gegen die Säulen des Staates erfolgen dann u. a. in Montesquieus Lettres persanes (1721) und in Voltaires Lettresphilosophiques (1734).
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    Kaum eine Schrift Voltaires hätte diesen Prüfungen auf Gotteslästerliches, Staatsgefährliches, Unsittliches standhalten können.
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    Voltaire will Freiheit von kirchlichen und staatlichen¹⁵) Bindungen, Freiheit der Meinungsäußerung und des Handelns; sein höchstes Ziel, das er in stetem Kampf bis an sein Ende verfolgt, ist die geistige Befreiung der Menschheit.
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    Und doch paart sich mit dieser Feigheit ein ganz ungewöhnlicher Freimut; Voltaire wagt zu sagen, was sonst niemand sagte, höchstens dachte; er richtet unentwegt seine Angriffe gegen alles durch Tradition und Vorurteile Sanktionierte, gegen alles, was den Menschen knechtet und fesselt.
    Grundvorstellungen der Aufklärung: Vorurteil, Philosophie, Mensch In der ersten Ausgabe seines Dictionnaire philosophique portatif (1764) hat Voltaire den »Vorurteilen« einen Artikel gewidmet, in dem er die schlechten- also dure vernünftige Erkenntnisse zu ersetzenden - von den allgemein akzeptierten, de« »notwendigen« Vorurteilen unterscheidet.
    Voltaire fügt dieser Kritik eine sozialpsychologische und sozialgeschichtliche Begründung der Auswirkung religiöser Vorurteile an.
    (Ebd.) o taires Artikel gipfelt in dem Angriff auf die geistige und weltliche Vormacht-ste ung der Institution Kirche; er hat allerdings mit einer Betrachtung der Vorurteile egonnen, die für das soziale Zusammenleben und für das individuelle moralische Verhalten allgemein anerkannt, notwendig seien.
    Paradoxerweise greift Voltaire dazu auf ein als Ammenmärchen verspottetes Vorurteil zurück: auf die Angst vor der Hölle!
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    Und doch paart sich mit dieser Feigheit ein ganz ungewöhnlicher Freimut; Voltaire wagt zu sagen, was sonst niemand sagte, höchstens dachte; er richtet unentwegt seine Angriffe gegen alles durch Tradition und Vorurteile Sanktionierte, gegen alles, was den Menschen knechtet und fesselt.
    Die Menschen liebt Voltaire und verachtet sie zugleich, er kennt ihre Art, lacht spöttisch und überlegen über ihre Miseren, ist aber ebenso bereit, ihnen zu helfen ungeachtet des Undankes, den er oft erntet.
    Doch trotz aller Unausgeglichenheiten ist Voltaire ein Lebenskünstler, Dichter und Mann des praktischen Lebens zugleich; mit gleicher Leidenschaft führt er die Feder und den Pflug. Eine ungeheure Aktivität treibt ihn, sich auf allen Gebieten zu beschäftigen; nirgendwo möchte er Dilettant bleiben. Zur Arbeit ist für ihn der Mensch geschaffen.
    Und wenn der überragende Geist Voltaires uns auch heute noch Lebenswichtiges zu sagen hat, so ist es vielleicht dies: Jeder Einzelne soll der Menschheit zur Förderung ihres Glückes und ihres Fortschrittes nützlich sein durch sinnvolle und rastlose Arbeit, soweit sie im Bereiche seiner Fähigkeiten liegt.
    Ein Erzähler überträgt einer Mehrzahl von Erzählfiguren die Aufgabe, ihre Erzählungen wiederzugeben und umfaßt diese nicht nur mit einer Rahmenerzählung, sondern mit einem Ereignisse, Teilnehmer und Erzähler bestimmenden oder lenkenden allgemeinen Thema: mit der Idee, daß Schein und Sein die Hofgesellschaft bestimmen („Hepta-méron“); mit der Idee, daß vernünftiges Handeln auf Erfahrungen beruht, die alle Menschen miteinander teilen (Voltaire, „Candide“, 1759; Bruno, „Le tour de la France par deux enfants“, 1877); mit der Idee, daß der Mensch sich selbst das Paradies und dem Nächsten die Hölle ist (Sade, „Les 120 journées de Sodome“, 1782/85).
    Voltaire versteht hier Gleichheit im Sinn gleicher gattungsspezifischer Anlagen: »Tous les animaux de chaque espèce sont égaux entre eux«. Da die Bedürfnisse des Menschen aber nur durch die Bewältigung der ungleichen Bedingungen seiner natürlichen Umwelt erfüllt werden können, entwickeln sich Unterordnung und Abhängigkeit als quasi-natürliche gesellschaftliche Beziehungen zwischen den Menschen.
    Diese sozialhistorische Verallgemeinerung, die ja nur solange gilt, als keine gegenteiligen Tatsachen ihr widersprechen, stützt Voltaire mit psychologischen Wesensmerkmalen des Menschen: Machttrieb, Drang nach Reichtum und Vergnügen, Neigung zur Bequemlichkeit.
    Diese beiden Bewertungsskalen entsprechen in etwa den Vorstellungen eines bürgerlichen oder eines adligen Publikums. [68] Als philosophischer Betrachter oder Erzähler hat Voltaire sich außerhalb eines eindeutigen ständischen Engagements gestellt; die Ironie seiner Beobachtungen kann gegen den Adel gerichtet sein und die Bürgerlichen amüsieren oder umgekehrt; der Spott kann dem Klerus gelten und die übrigen Stände unterhalten; der Spott kann auf die Unvollkommenheit der menschlichen Verhältnisse überhaupt gemünzt sein und findet Gehör bei »Philosophen« sowie Angehörigen aller drei Stände.
    An einigen zentralen Beispielen sei letzteres skizziert: Im Ergebnis seiner wissenschaftlichen Studien in Cirey zeigt Voltaire im Micromégas (1739) die Relativität der menschlichen Existenz im Universum, attackiert er das anthropozentrische Weltbild der christlichen Religion.
    seit 1739) abzeichneten, die Frage nach der Bestimmung des Menschen, nach der Einrichtung der Welt, die Voltaire hier noch - leicht modifiziert - beantwortet, wie Leibniz und Pope dies vorgegeben hatten.
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    Doch trotz aller Unausgeglichenheiten ist Voltaire ein Lebenskünstler, Dichter und Mann des praktischen Lebens zugleich; mit gleicher Leidenschaft führt er die Feder und den Pflug. Eine ungeheure Aktivität treibt ihn, sich auf allen Gebieten zu beschäftigen; nirgendwo möchte er Dilettant bleiben. Zur Arbeit ist für ihn der Mensch geschaffen. Begabt mit einem ausgeprägten Sinn für das Wirkliche und Mögliche durchschaut er alle Hirngespinste und baut fast nur auf die Erfahrung.
    Die gesellschaftliche Wirklichkeit, wie sie sich in der Erfahrung des Individuums widerspiegelt, bildet für Voltaire den Prüfstein für bestehende Anschauungen und den Ausgangspunkt für die Gewinnung neuer Erkenntnisse.
    Die exempelhafte Vereinfachung in seiner Darstellung schafft die Voraussetzung für die antithetischen Gegenüberstellungen von traditionellem Weltbild und gesellschaftlicher Realität.
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    Und wenn der überragende Geist Voltaires uns auch heute noch Lebenswichtiges zu sagen hat, so ist es vielleicht dies: Jeder Einzelne soll der Menschheit zur Förderung ihres Glückes und ihres Fortschrittes nützlich sein durch sinnvolle und rastlose Arbeit, soweit sie im Bereiche seiner Fähigkeiten liegt.
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    Und wenn der überragende Geist Voltaires uns auch heute noch Lebenswichtiges zu sagen hat, so ist es vielleicht dies: Jeder Einzelne soll der Menschheit zur Förderung ihres Glückes und ihres Fortschrittes nützlich sein durch sinnvolle und rastlose Arbeit, soweit sie im Bereiche seiner Fähigkeiten liegt.
    (Essay on Man, I, v. 169-172, 289-294 Angesichts der Auswirkungen des Erdbebens von Eissabon hat Voltaire die Philosophen, die rufen: Alles ist gut! aufgefordert, sich das Elend einmal anzuschauen; aber trotz der pessimistischen Beurteilung des Weltlaufes, die der Pascals nahe ist, halt Voltaire an der Hoffnung fest, daß es einen Fortschritt der Menschheit zum Besseren geben könnte. [74j Zum Abschluß der ausführlichen Auseinandersetzungen mit der metaphysischen Lehre des Optimismus, in der Erzählung ( andhtt- -m. ( ’p-: wird diese vage f loffnung als Arbeitsethos formuliert, als Aufgabe, die \\ eit Zu gestalten, das Land zu bestellen, seinen Lebensunterhalt zu gewinnen, ohne die l osimg des Problems der 1 heodiz.ee zu erstreben. k aubM, dn ( andidr, qu'il faut cultiver notre jardin.
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    Und wenn der überragende Geist Voltaires uns auch heute noch Lebenswichtiges zu sagen hat, so ist es vielleicht dies: Jeder Einzelne soll der Menschheit zur Förderung ihres Glückes und ihres Fortschrittes nützlich sein durch sinnvolle und rastlose Arbeit, soweit sie im Bereiche seiner Fähigkeiten liegt.
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    Voltaire verweist hier mit der Absurdität der Kombinationen oder Relationen auf die mangelnde Einsicht in tatsächliche Zusammenhänge der Natur.
    Voltaire wendet damit eine Art „Scheinwerfertechnik“ (E. Auerbach) an, die das Lächerliche, Absurde oder Abstoßende am Gegner überbeleuchtet.
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    Voltaire verweist hier mit der Absurdität der Kombinationen oder Relationen auf die mangelnde Einsicht in tatsächliche Zusammenhänge der Natur.
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    Als aufklärerische Vorurteile halten wir aus Voltaires Text fest: die Autorität der Eltern [5]; die natürliche Unterscheidung von Mein und Dein, im weiteren Sinn von Gut und Böse.
    (Le vrai philosophe, S. 14—15) Voltaire schildert 1764 die Respektierung der Autorität und den Autoritätsverhist der Amtsträger aus der Perspektive eines Leser, der die Achtung, die ihm vor eine111 würdevoll einherstolzierenden Menschen anerzogen worden ist, durch ein selbstan dig kritisches Urteil ersetzt hat.
    Diese sozialhistorische Verallgemeinerung, die ja nur solange gilt, als keine gegenteiligen Tatsachen ihr widersprechen, stützt Voltaire mit psychologischen Wesensmerkmalen des Menschen: Machttrieb, Drang nach Reichtum und Vergnügen, Neigung zur Bequemlichkeit.
    Voltaires Contes fügen sich somit organisch in seinen weltanschaulichen Entwicklungsprozeß ein. Damit erhebt sich zugleich die Frage, wie er denn sein weltanschauliches Anliegen mit den an die Contes zu stellenden literarisch-ästhetischen Anforderungen zu verbinden vermochte. Mußte diese vordringlich ideologisch-didaktische Funktion seiner Contes nicht zwangsläufig deren literarischen Wert mindern oder überhaupt in Frage stellen? Faßt man die Handlung der verschiedenen Contes philosophiques ins Auge, die Fülle von unglaublichen Abenteuern und phantastischen Geschehnissen, die zahlreichen Zutaten aus orientalischen Märchen und der europäischen Feenwelt, so scheint der Abbildcharakter dieser Literatur zunächst in Frage gestellt. Bei einer aufmerksameren Betrachtung bietet sich jedoch ein weit anderes Bild. Sieht man von der willkürlichen, dennoch einer bestimmten Absicht entsprechenden Verknüpfung der Geschehnisse ab, bemüht man sich, den Schleier der phantastisch-exotischen Verhüllung zu zerreißen, so präsentieren die Contes dem Leser mit einemmal eine Fülle von zutiefst realistischen Details und Episodenschilderungen, wie sie in ihrer prägnanten Deutlichkeit und Schärfe kaum zu übertreffen sind. So werden an zahlreichen Stellen, angefangen von Le monde comme il va bis zu Candide, das Thema des Krieges aufgegriffen, die divergierenden Interessen der Herrschenden als dessen Entstehungsursachen aufgezeigt und die schrecklichen Konsequenzen des Krieges für die betroffenen Menschen in aufrüttelnden Schilderungen angeprangert, die leider bis heute nichts an Aktualität eingebüßt haben. Hierzu ein Beispiel aus Candide, wo der Held eben eine furchtbare Schlacht überlebt hat: „(Candide) stieg über Berge von Toten und Sterbenden und erreichte zunächst ein benachbartes Dorf, das in Schutt und Asche lag... Hier sahen über und über mit Wunden bedeckte Greise zu, wie ihre Frauen erwürgt wurden und noch im Sterben ihre Kinder an die blutenden Brüste preßten. Dort hauchten Mädchen mit aufgeschlitzten Bäuchen ihre letzten Seufzer aus, nachdem einige Helden ihre natürlichen Bedürfnisse an ihnen befriedigt hatten. Andere, die halb verbrannt waren, flehten schreiend um den Gnadenstoß – und ringsum bedeckten Gehirne neben abgehauenen Armen und Beinen den Boden.“ Viele andere Episoden geißeln in nicht weniger schockierenden, reale Sachverhalte spiegelnden Bildern despotischen Machtmißbrauch und Ämterschacher, religiösen Fanatismus und Verfolgungen, moralische Heuchelei und Justizgreuel, Verschwendungssucht und ungerechte Besteuerung wie ihre Kehrseite – hoffnungslose soziale Not für breite Volksschichten.
    Thematisch dominiert einerseits die religö-se Dichtung, die etwa Racines Sohn Louis -der sich in seinem Gedicht „La religion“ (1742) gegen Bayle, Locke und Pope richtet - oder Jean Baptiste Rousseau verfassen; andererseits stellt Voltaire die Dichtung bereits in den Dienst seiner Kampagne gegen Intoleranz und Machtmißbrauch.
    Als Symbol der Aufklärung gilt auch weiterhin Voltaire, weil er mit seinem Schlachtruf „Ecrasez l’Infäme“ nicht nur in seinem literarischen Œuvre gegen Intoleranz, Korruption, Willkür, Ungerechtigkeit und Amtsmißbrauch polemisiert, sondern weil er maßgeblich zur Etablierung eines philosophisch-antitheologischen Geschichtskonzepts beiträgt („Le siècle de Louis XIV“, 1752; „Essai sur l’histoire générale et sur les mœurs et l’esprit des nations depuis Charlemagne jusqu’à nos jours“, 1756) und sowohl in seinen philosophischen Werken („Dictionnaire philosophique portatif“, 1764; „Questions sur ['Encyclopédie“, 1770-72) als auch in zahllosen Protest-, Spott- und Kampfschriften politische und soziale Mißstände anprangert.
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    Als aufklärerische Vorurteile halten wir aus Voltaires Text fest: die Autorität der Eltern [5]; die natürliche Unterscheidung von Mein und Dein, im weiteren Sinn von Gut und Böse.
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    Als aufklärerische Vorurteile halten wir aus Voltaires Text fest: die Autorität der Eltern [5]; die natürliche Unterscheidung von Mein und Dein, im weiteren Sinn von Gut und Böse.
    Private Laster können sich also auch nach Voltaire als öffentliche Wohltaten auswirken. [72] Aber getreu seiner empiristi-sehen Einstellung beschränkt sich Babouc darauf, das Nebeneinander des Negativer» und des Positiven, des Guten und des Schlechten festzustellen: Il soupçonna enfin qu il pourrait bien en être des mœurs de Persépolis comme des édifices, ont es uns lui avaient paru dignes de pitié, et les autres l’avaient ravi en admiration.
    Der allmächtige Reiche und der machtlose Arme Bei Voltaires Auseinandersetzung mit dem Problem der Theodizee ist es dardm gegangen, ob und in welchem Sinn der einzelne eine Schöpfung akzeptiert, in 3er Gutes und Böses, Selbstlosigkeit und himmelschreiende Ungerechtigkeit, Vernürv11' ges und Unvernünftiges auf wenig harmonische Weise miteinander vermischt siPd-Die Lösung der Frage oder das resignierte Schweigen sind Probleme der individuell6'11 moralischen Beurteilung und Lebensführung.
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    Als aufklärerische Vorurteile halten wir aus Voltaires Text fest: die Autorität der Eltern [5]; die natürliche Unterscheidung von Mein und Dein, im weiteren Sinn von Gut und Böse.
    Private Laster können sich also auch nach Voltaire als öffentliche Wohltaten auswirken. [72] Aber getreu seiner empiristi-sehen Einstellung beschränkt sich Babouc darauf, das Nebeneinander des Negativer» und des Positiven, des Guten und des Schlechten festzustellen: Il soupçonna enfin qu il pourrait bien en être des mœurs de Persépolis comme des édifices, ont es uns lui avaient paru dignes de pitié, et les autres l’avaient ravi en admiration.
    Der allmächtige Reiche und der machtlose Arme Bei Voltaires Auseinandersetzung mit dem Problem der Theodizee ist es dardm gegangen, ob und in welchem Sinn der einzelne eine Schöpfung akzeptiert, in 3er Gutes und Böses, Selbstlosigkeit und himmelschreiende Ungerechtigkeit, Vernürv11' ges und Unvernünftiges auf wenig harmonische Weise miteinander vermischt siPd-Die Lösung der Frage oder das resignierte Schweigen sind Probleme der individuell6'11 moralischen Beurteilung und Lebensführung.
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    Die Evidenz der selbständigen Erfahrungen und Überprüfung, der nach unserem Text der »echte Philosoph« allein zu folgen habe, erscheint als wichtige narrative Isotopie in den philosophischen Erzählungen Voltaires.
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    D’Holbach, der diese Vorurteilskritik noch mit einem umfangreich ausgesponnenen, zukunftsorientierten Modell der natürlichen, sprich: vernünftigen Gesellschaft und Moral ergänzt, bewegt sich mit der geschichtsphilosophischen Betrachtung an der Grenze des Pessimismus, für den man auch Voltaire zitieren kann.
    Voltaires Contes fügen sich somit organisch in seinen weltanschaulichen Entwicklungsprozeß ein. Damit erhebt sich zugleich die Frage, wie er denn sein weltanschauliches Anliegen mit den an die Contes zu stellenden literarisch-ästhetischen Anforderungen zu verbinden vermochte. Mußte diese vordringlich ideologisch-didaktische Funktion seiner Contes nicht zwangsläufig deren literarischen Wert mindern oder überhaupt in Frage stellen? Faßt man die Handlung der verschiedenen Contes philosophiques ins Auge, die Fülle von unglaublichen Abenteuern und phantastischen Geschehnissen, die zahlreichen Zutaten aus orientalischen Märchen und der europäischen Feenwelt, so scheint der Abbildcharakter dieser Literatur zunächst in Frage gestellt. Bei einer aufmerksameren Betrachtung bietet sich jedoch ein weit anderes Bild. Sieht man von der willkürlichen, dennoch einer bestimmten Absicht entsprechenden Verknüpfung der Geschehnisse ab, bemüht man sich, den Schleier der phantastisch-exotischen Verhüllung zu zerreißen, so präsentieren die Contes dem Leser mit einemmal eine Fülle von zutiefst realistischen Details und Episodenschilderungen, wie sie in ihrer prägnanten Deutlichkeit und Schärfe kaum zu übertreffen sind. So werden an zahlreichen Stellen, angefangen von Le monde comme il va bis zu Candide, das Thema des Krieges aufgegriffen, die divergierenden Interessen der Herrschenden als dessen Entstehungsursachen aufgezeigt und die schrecklichen Konsequenzen des Krieges für die betroffenen Menschen in aufrüttelnden Schilderungen angeprangert, die leider bis heute nichts an Aktualität eingebüßt haben. Hierzu ein Beispiel aus Candide, wo der Held eben eine furchtbare Schlacht überlebt hat: „(Candide) stieg über Berge von Toten und Sterbenden und erreichte zunächst ein benachbartes Dorf, das in Schutt und Asche lag... Hier sahen über und über mit Wunden bedeckte Greise zu, wie ihre Frauen erwürgt wurden und noch im Sterben ihre Kinder an die blutenden Brüste preßten. Dort hauchten Mädchen mit aufgeschlitzten Bäuchen ihre letzten Seufzer aus, nachdem einige Helden ihre natürlichen Bedürfnisse an ihnen befriedigt hatten. Andere, die halb verbrannt waren, flehten schreiend um den Gnadenstoß – und ringsum bedeckten Gehirne neben abgehauenen Armen und Beinen den Boden.“ Viele andere Episoden geißeln in nicht weniger schockierenden, reale Sachverhalte spiegelnden Bildern despotischen Machtmißbrauch und Ämterschacher, religiösen Fanatismus und Verfolgungen, moralische Heuchelei und Justizgreuel, Verschwendungssucht und ungerechte Besteuerung wie ihre Kehrseite – hoffnungslose soziale Not für breite Volksschichten.
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    Mit den anschließenden drei Fragenkomplexen geht Voltaire auf die praktische Durchführung der Fastenvorschrift ein: Die Betrachtung einiger banaler Details— der Reiche erlaubt sich ausgesuchte Fischmenus, indessen der Arme wegen eines Bissens Pökelfleisch verdammt wird!
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    Voltaires Überzeugung von einer natürlichen menschlichen Moral wird man also nicht als sein einziges oder letztes Wort nehmen dürfen. [30] Der Glaube an die Unsterblichkeit der Seele halte das niedere Volk in Schach, dem Vernunft und damit das Streben nach dem höchsten Gut fehle; die gehobenen Stände möchten sich wohl ohne solchen Aberglauben honett aufführen - das meinte schon vor Voltaire ein Skeptiker, der Marquis d’Argens. [31] Auch politische und ökonomische Probleme oder Reformen diskutieren Voltaire und d’Holbach mit spürbarer Distanz gegenüber den Interessen der Mehrheit des dritten Standes.
    Voltaire wird im Artikel »Vertu« des Dictionnaire philosophique diese Trennung der privaten Neigungen von den gesell' schaftlich schädlichen oder nützlichen als Grundlage einer säkularisierten Moral' lehre pointiert formulieren.
    Der allmächtige Reiche und der machtlose Arme Bei Voltaires Auseinandersetzung mit dem Problem der Theodizee ist es dardm gegangen, ob und in welchem Sinn der einzelne eine Schöpfung akzeptiert, in 3er Gutes und Böses, Selbstlosigkeit und himmelschreiende Ungerechtigkeit, Vernürv11' ges und Unvernünftiges auf wenig harmonische Weise miteinander vermischt siPd-Die Lösung der Frage oder das resignierte Schweigen sind Probleme der individuell6'11 moralischen Beurteilung und Lebensführung.
    Wir müssen berücksichtigen, daß Voltaire an das allen Menschen gemeinsame »Grundgesetz der Sittlichkeit« glaubt.] 109] Für de Sade scheint der Glaube an die gleichartigen Neigungen, Triebe und sinnlichen Bedürfnisse der Menschen (110] hingegen überholt zu sein.
    Der aufklärerischen und moralisch-didaktischen Intention entsprechen auch die contes philosophiques Voltaires, die contes moraux Marmontels und die Dialogerzählungen Di-derots, die jeweils fundamentale Neuerungen im Literatursystem der Aufklärung darstellen.
    Nicht selten faßt Voltaire am Schluß seiner Contes deren Ergebnis prägnant zusammen, leitet er selbst die „Moral“ aus seiner Geschichte ab, etwa wenn er am Ende von Le monde comme il va entscheidet, trotz allen Ungemachs die Welt zu lassen, wie sie ist: ....denn ist auch nicht alles gut, so ist es doch leidlich.“ 20 Diese hier recht kompromißlerisch anmutende Schlußfolgerung, die wohl im Zusammenhang mit Voltaires derzeitigen ehrgeizigen Ambitionen bei Hofe stand, erfährt in Zadig eine entschiedene Modifikation.
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    Voltaires Überzeugung von einer natürlichen menschlichen Moral wird man also nicht als sein einziges oder letztes Wort nehmen dürfen. [30] Der Glaube an die Unsterblichkeit der Seele halte das niedere Volk in Schach, dem Vernunft und damit das Streben nach dem höchsten Gut fehle; die gehobenen Stände möchten sich wohl ohne solchen Aberglauben honett aufführen - das meinte schon vor Voltaire ein Skeptiker, der Marquis d’Argens. [31] Auch politische und ökonomische Probleme oder Reformen diskutieren Voltaire und d’Holbach mit spürbarer Distanz gegenüber den Interessen der Mehrheit des dritten Standes.
    Neben der großen Wirkung Bayles und Fontenelles gelangen politische, naturwissenschaftliche und religionsphilosophische Gedanken englischer Philosophen (Hume, Locke) durch die Vermittlung Montesquicus und Voltaires in Frankreich in Umlauf.
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    Voltaires Überzeugung von einer natürlichen menschlichen Moral wird man also nicht als sein einziges oder letztes Wort nehmen dürfen. [30] Der Glaube an die Unsterblichkeit der Seele halte das niedere Volk in Schach, dem Vernunft und damit das Streben nach dem höchsten Gut fehle; die gehobenen Stände möchten sich wohl ohne solchen Aberglauben honett aufführen - das meinte schon vor Voltaire ein Skeptiker, der Marquis d’Argens. [31] Auch politische und ökonomische Probleme oder Reformen diskutieren Voltaire und d’Holbach mit spürbarer Distanz gegenüber den Interessen der Mehrheit des dritten Standes.
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    Voltaires Überzeugung von einer natürlichen menschlichen Moral wird man also nicht als sein einziges oder letztes Wort nehmen dürfen. [30] Der Glaube an die Unsterblichkeit der Seele halte das niedere Volk in Schach, dem Vernunft und damit das Streben nach dem höchsten Gut fehle; die gehobenen Stände möchten sich wohl ohne solchen Aberglauben honett aufführen - das meinte schon vor Voltaire ein Skeptiker, der Marquis d’Argens. [31] Auch politische und ökonomische Probleme oder Reformen diskutieren Voltaire und d’Holbach mit spürbarer Distanz gegenüber den Interessen der Mehrheit des dritten Standes.
    Voltaire legt darin seinen Standpunkt zu aktuellen Problemen seiner Zeit dar; er will die von ihm gewonnenen Erkenntnisse auf plausible Weise seinen Lesern zugänglich machen.
    Voltaires Contes fügen sich somit organisch in seinen weltanschaulichen Entwicklungsprozeß ein. Damit erhebt sich zugleich die Frage, wie er denn sein weltanschauliches Anliegen mit den an die Contes zu stellenden literarisch-ästhetischen Anforderungen zu verbinden vermochte. Mußte diese vordringlich ideologisch-didaktische Funktion seiner Contes nicht zwangsläufig deren literarischen Wert mindern oder überhaupt in Frage stellen? Faßt man die Handlung der verschiedenen Contes philosophiques ins Auge, die Fülle von unglaublichen Abenteuern und phantastischen Geschehnissen, die zahlreichen Zutaten aus orientalischen Märchen und der europäischen Feenwelt, so scheint der Abbildcharakter dieser Literatur zunächst in Frage gestellt. Bei einer aufmerksameren Betrachtung bietet sich jedoch ein weit anderes Bild. Sieht man von der willkürlichen, dennoch einer bestimmten Absicht entsprechenden Verknüpfung der Geschehnisse ab, bemüht man sich, den Schleier der phantastisch-exotischen Verhüllung zu zerreißen, so präsentieren die Contes dem Leser mit einemmal eine Fülle von zutiefst realistischen Details und Episodenschilderungen, wie sie in ihrer prägnanten Deutlichkeit und Schärfe kaum zu übertreffen sind. So werden an zahlreichen Stellen, angefangen von Le monde comme il va bis zu Candide, das Thema des Krieges aufgegriffen, die divergierenden Interessen der Herrschenden als dessen Entstehungsursachen aufgezeigt und die schrecklichen Konsequenzen des Krieges für die betroffenen Menschen in aufrüttelnden Schilderungen angeprangert, die leider bis heute nichts an Aktualität eingebüßt haben. Hierzu ein Beispiel aus Candide, wo der Held eben eine furchtbare Schlacht überlebt hat: „(Candide) stieg über Berge von Toten und Sterbenden und erreichte zunächst ein benachbartes Dorf, das in Schutt und Asche lag... Hier sahen über und über mit Wunden bedeckte Greise zu, wie ihre Frauen erwürgt wurden und noch im Sterben ihre Kinder an die blutenden Brüste preßten. Dort hauchten Mädchen mit aufgeschlitzten Bäuchen ihre letzten Seufzer aus, nachdem einige Helden ihre natürlichen Bedürfnisse an ihnen befriedigt hatten. Andere, die halb verbrannt waren, flehten schreiend um den Gnadenstoß – und ringsum bedeckten Gehirne neben abgehauenen Armen und Beinen den Boden.“ Viele andere Episoden geißeln in nicht weniger schockierenden, reale Sachverhalte spiegelnden Bildern despotischen Machtmißbrauch und Ämterschacher, religiösen Fanatismus und Verfolgungen, moralische Heuchelei und Justizgreuel, Verschwendungssucht und ungerechte Besteuerung wie ihre Kehrseite – hoffnungslose soziale Not für breite Volksschichten.
    Die exempelhafte Vereinfachung in seiner Darstellung schafft die Voraussetzung für die antithetischen Gegenüberstellungen von traditionellem Weltbild und gesellschaftlicher Realität. Die dadurch bedingte Schwarz-Weiß-Malerei steht im Dienste einer scharfen Konturierung der Probleme und lenkt den Blick weg vom Einzelnen und Besonderen hin zum Wesen der Sache, zum Allgemeinen.
    Er stößt auf diese Weise in seinen Contes zu den gesellschaftlichen Kernfragen der Aufklärung vor, die in seiner Darstellung in ein neues Licht rücken. Insofern ist die Aussage seines erzählerischen Werkes ganz gewiß realistisch, auch wenn er sich phantastischer und märchenhafter Motive und Einkleidungen bedient und wenn er den Handlungsablauf häufig bewußt unwahrscheinlich anlegt. Denn ungeachtet dessen legt sein Werk die Mißstände seiner Welt schonungsloser bloß, als es in vielen zeitgenössischen Romanen gewagt wurde.
    Voltaire ging es darum - und hier ist ein Vergleich zu dem Wirken Bertolt Brechts und den von ihm angewandten Methoden angebracht -, eine kritische und rationale Haltung des Lesers zur Wirklichkeit zu fördern, ihn in den Stand zu setzen, die tieferen gesellschaftlichen Zusammenhänge zu durchschauen und sich nicht vom individuellen Glück oder Unglück eines Helden derart gefangennehmen zu lassen, daß dadurch der Blick für die gesellschaftlichen Probleme im weiteren Sinne verstellt wird.
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    Voltaire versteht hier Gleichheit im Sinn gleicher gattungsspezifischer Anlagen: »Tous les animaux de chaque espèce sont égaux entre eux«. Da die Bedürfnisse des Menschen aber nur durch die Bewältigung der ungleichen Bedingungen seiner natürlichen Umwelt erfüllt werden können, entwickeln sich Unterordnung und Abhängigkeit als quasi-natürliche gesellschaftliche Beziehungen zwischen den Menschen.
    Aus den von Voltaire angeführten Voraussetzungen und Beispielen könnte man sicher auch die Notwendigkeit einer sozialstaatlichen Struktur der Gesellschaft, den Schutz der Schwächeren vor den Stärkeren, der Domestiken oder Sklaven vor den Mächtigen ableiten.
    Voltaire hat die eher verschleiernde als erklärende Simplifizie-fung d’Holbachs vermieden, insofern er den Ursprung der Ungleichheit sowohl in der gesellschaftlichen Struktur der Abhängigkeit als auch in einer psychologischen Anlage gesucht hat.
    Voltaire wird im Artikel »Vertu« des Dictionnaire philosophique diese Trennung der privaten Neigungen von den gesell' schaftlich schädlichen oder nützlichen als Grundlage einer säkularisierten Moral' lehre pointiert formulieren.
    Das Prinzip der egoistischen Gesinnung, des »intérêt personnel«, woraus Aufklärer wie d’Holbach und Voltaire das allgemeine Glück glaubten herleiten zu können, zerstört die Gesellschaft. [91] Das Prinzip der Gesellschaft, den Konkurrenzkampf, erläutert Rousseau mit den Schriftstellern, den Philosophen, »ces amis de la sagesse«, die wie Scharlatane auf dem Marktplatz ihre einander widersprechenden Weisheiten an den Mann zu bringen versuchen.
    Die gesellschaftliche Wirklichkeit, wie sie sich in der Erfahrung des Individuums widerspiegelt, bildet für Voltaire den Prüfstein für bestehende Anschauungen und den Ausgangspunkt für die Gewinnung neuer Erkenntnisse.
    Die exempelhafte Vereinfachung in seiner Darstellung schafft die Voraussetzung für die antithetischen Gegenüberstellungen von traditionellem Weltbild und gesellschaftlicher Realität.
    Er stößt auf diese Weise in seinen Contes zu den gesellschaftlichen Kernfragen der Aufklärung vor, die in seiner Darstellung in ein neues Licht rücken.
    Voltaire ging es darum - und hier ist ein Vergleich zu dem Wirken Bertolt Brechts und den von ihm angewandten Methoden angebracht -, eine kritische und rationale Haltung des Lesers zur Wirklichkeit zu fördern, ihn in den Stand zu setzen, die tieferen gesellschaftlichen Zusammenhänge zu durchschauen und sich nicht vom individuellen Glück oder Unglück eines Helden derart gefangennehmen zu lassen, daß dadurch der Blick für die gesellschaftlichen Probleme im weiteren Sinne verstellt wird.
    Voltaire strebt hier keine äußere Detailtreue an. Ohne Bedenken legt er einem ungebildeten Sklaven Worte in den Mund, die dessen geistigen Horizont weit übersteigen. Dennoch hat seine Aussage einen zutiefst realistischen Gehalt, da sie real existierende Zusammenhänge gesellschaftlicher Erscheinungen ins Bewußtsein hebt.
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    Voltaire versteht hier Gleichheit im Sinn gleicher gattungsspezifischer Anlagen: »Tous les animaux de chaque espèce sont égaux entre eux«. Da die Bedürfnisse des Menschen aber nur durch die Bewältigung der ungleichen Bedingungen seiner natürlichen Umwelt erfüllt werden können, entwickeln sich Unterordnung und Abhängigkeit als quasi-natürliche gesellschaftliche Beziehungen zwischen den Menschen. Unmöglich sei eine Gesellschaftsordnung, die nicht grundsätzlich zwei Klassen aufweise:
    Diese beiden Bewertungsskalen entsprechen in etwa den Vorstellungen eines bürgerlichen oder eines adligen Publikums. [68] Als philosophischer Betrachter oder Erzähler hat Voltaire sich außerhalb eines eindeutigen ständischen Engagements gestellt; die Ironie seiner Beobachtungen kann gegen den Adel gerichtet sein und die Bürgerlichen amüsieren oder umgekehrt; der Spott kann dem Klerus gelten und die übrigen Stände unterhalten; der Spott kann auf die Unvollkommenheit der menschlichen Verhältnisse überhaupt gemünzt sein und findet Gehör bei »Philosophen« sowie Angehörigen aller drei Stände.
    2 references
    Diese sozialhistorische Verallgemeinerung, die ja nur solange gilt, als keine gegenteiligen Tatsachen ihr widersprechen, stützt Voltaire mit psychologischen Wesensmerkmalen des Menschen: Machttrieb, Drang nach Reichtum und Vergnügen, Neigung zur Bequemlichkeit.
    Voltaire hat die eher verschleiernde als erklärende Simplifizie-fung d’Holbachs vermieden, insofern er den Ursprung der Ungleichheit sowohl in der gesellschaftlichen Struktur der Abhängigkeit als auch in einer psychologischen Anlage gesucht hat.
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    Diese sozialhistorische Verallgemeinerung, die ja nur solange gilt, als keine gegenteiligen Tatsachen ihr widersprechen, stützt Voltaire mit psychologischen Wesensmerkmalen des Menschen: Machttrieb, Drang nach Reichtum und Vergnügen, Neigung zur Bequemlichkeit.
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    Diese sozialhistorische Verallgemeinerung, die ja nur solange gilt, als keine gegenteiligen Tatsachen ihr widersprechen, stützt Voltaire mit psychologischen Wesensmerkmalen des Menschen: Machttrieb, Drang nach Reichtum und Vergnügen, Neigung zur Bequemlichkeit.
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    Voltaire hat die eher verschleiernde als erklärende Simplifizie-fung d’Holbachs vermieden, insofern er den Ursprung der Ungleichheit sowohl in der gesellschaftlichen Struktur der Abhängigkeit als auch in einer psychologischen Anlage gesucht hat.
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    Vision de Babouc (1748), Candide ou l’Optimisme (1759) Der vornehme Perser aus Montesquieus Briefroman ist aufgebrochen, »um mühevoll die Weisheit zu suchen« ; auch Candide und Babouc, die kritischen Reisenden der beiden philosophischen Erzählungen Voltaires, folgen diesem Ziel; allerdings sind sie nicht in die Vorurteile ihrer eigenen Kultur verstrickt - wie Usbek etwa in die Vorstellungswelt des orientalischen Despotismus.
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    Voltaire, der sich an dem englischen Sensualismus und Empirismus orientiert hat [65], zeigt das Bewußtsein seiner Figuren zwar nicht im Zustand eines unbeschriebenen weißen Papiers, der »tabula rasa«; er stattet sie mit Vernunft und Urteilsfähigkeit aus, versetzt sie aber dann in eine unerwartete Abfolge von Geschehnissen, die sie zunächst nicht als eine Kette von Ursache und Wirkung verste en, die Ereignisse stürzen zufällig auf sie ein, und sie sind aufs erste auch nicht in er Lage, einen Zusammenhang zwischen diesen Ereignissen zu erkennen.
    Voltaire antwortet darauf mit der Darstellung des willkürlich darniederfahrenden Zufalls, mit der übertriebenen Verwendung romanesker Abenteuer, die, ganz im Sinn der klassizistischen Dichtungslehre, unwahrscheinlich erscheinen.
    Bestreiten läßt sich auch nicht, daß er Zufälle und äußere Kausalzusammenhänge zum bestimmenden Faktor für den wechselvollen Lebensweg seiner Helden erhob, wobei er dies im Gegensatz zu den Romanautoren seiner Zeit sogar parodistisch hervorkehrte.
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    Voltaire, der sich an dem englischen Sensualismus und Empirismus orientiert hat, zeigt das Bewußtsein seiner Figuren zwar nicht im Zustand eines unbeschriebenen weißen Papiers, der »tabula rasa«; er stattet sie mit Vernunft und Urteilsfähigkeit aus, versetzt sie aber dann in eine unerwartete Abfolge von Geschehnissen, die sie zunächst nicht als eine Kette von Ursache und Wirkung verstehen; die Ereignisse stürzen zufällig auf sie ein, und sie sind aufs erste auch nicht in der Lage, einen Zusammenhang zwischen diesen Ereignissen zu erkennen. Nach einer gewissen Wiederholung der Erfahrungen oder ergänzenden Beobachtungen versuchen sie es wohl, die eine Erscheinung mit der anderen in einen kausalen Zusammenhang zu bringen. Babouc und Candide lehnen es allerdings ab, die inneren Antriebskräfte der Ereignisse und die Zusammenhänge ihrer Erfahrungen oder Beobachtungen ergründen oder gar ausloten zu wollen; sie begnügen sich damit, Vermutungen über das Nebeneinander unlösbarer Widersprüche zu äußern oder ein anspruchsloses Resümee ihrer individuellen Lebenserfahrungen zu geben, ohne die Frage des Warum beantwortet zu haben.
    Die Unterordnung des Individuums wird nicht zuletzt durch die erzählerische Verwen-' “ng des willkürlichen Zufalls außer Kraft gesetzt, indem die acht Mitglieder der "kleinen Gesellschaft« Auspeitschung, Hinrichtung, Überfälle, Vergewaltigungen, ypbihs, den Verlust einer Hinterbacke, Schlachtfelder, Sklaverei, Prostitution, eben "nc Kette schrecklichen Unglücks (ebd., 27. Kap. ), überleben und zwei sogar wie von loten auferstehen. Un U Se’Verbunden im Kosmos; Gott habe das Glück aller Geschöpfe im Auge, das tlgUck einiger weniger könne als Begleiterscheinung eines allgemeineren Guten geschehen; ein Übel könne Gutes bewirken; alles in dieser Welt sei dank göttli^ Çr Weisheit miteinander verkettet — diese Vorstellungen hat Leibniz entwickelt. Einen Sinn 1111 Weltenlauf zu suchen, nach Ursache und Wirkung, der Erbsünde, dem Wesen » er Seele, dem Weltenplan zu fragen, ist Gerede, Spekulation, dem die praktische Geÿta' tung der Welt durch und für den Menschen gegenübergestellt wird.
    Der allmächtige Reiche und der machtlose Arme Bei Voltaires Auseinandersetzung mit dem Problem der Theodizee ist es dardm gegangen, ob und in welchem Sinn der einzelne eine Schöpfung akzeptiert, in 3er Gutes und Böses, Selbstlosigkeit und himmelschreiende Ungerechtigkeit, Vernürv11' ges und Unvernünftiges auf wenig harmonische Weise miteinander vermischt siPd-Die Lösung der Frage oder das resignierte Schweigen sind Probleme der individuell6'11 moralischen Beurteilung und Lebensführung.
    Die gesellschaftliche Wirklichkeit, wie sie sich in der Erfahrung des Individuums widerspiegelt, bildet für Voltaire den Prüfstein für bestehende Anschauungen und den Ausgangspunkt für die Gewinnung neuer Erkenntnisse.
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    Diese beiden Bewertungsskalen entsprechen in etwa den Vorstellungen eines bürgerlichen oder eines adligen Publikums. [68] Als philosophischer Betrachter oder Erzähler hat Voltaire sich außerhalb eines eindeutigen ständischen Engagements gestellt; die Ironie seiner Beobachtungen kann gegen den Adel gerichtet sein und die Bürgerlichen amüsieren oder umgekehrt; der Spott kann dem Klerus gelten und die übrigen Stände unterhalten; der Spott kann auf die Unvollkommenheit der menschlichen Verhältnisse überhaupt gemünzt sein und findet Gehör bei »Philosophen« sowie Angehörigen aller drei Stände.
    Hauptvertreter des conte philosophique bleibt Voltaire mit: Micromégas (1752) und Candide (1759). Die ironisch-verfremden-de Erzählweise dient ihm dazu, seine philosophischen Thesen und Standpunkte zu illustrieren (s.
    Die sich daraus ergebenden Unwahrscheinlichkeiten im Handlungsablauf vermag er - wie bereits oben vermerkt - durch den parodistischen Bezug auf die in seiner Zeit geübte Romanpraxis mit Selbstironie geschickt zu übergehen.
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    Diese beiden Bewertungsskalen entsprechen in etwa den Vorstellungen eines bürgerlichen oder eines adligen Publikums. [68] Als philosophischer Betrachter oder Erzähler hat Voltaire sich außerhalb eines eindeutigen ständischen Engagements gestellt; die Ironie seiner Beobachtungen kann gegen den Adel gerichtet sein und die Bürgerlichen amüsieren oder umgekehrt; der Spott kann dem Klerus gelten und die übrigen Stände unterhalten; der Spott kann auf die Unvollkommenheit der menschlichen Verhältnisse überhaupt gemünzt sein und findet Gehör bei »Philosophen« sowie Angehörigen aller drei Stände.
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    Diese beiden Bewertungsskalen entsprechen in etwa den Vorstellungen eines bürgerlichen oder eines adligen Publikums. [68] Als philosophischer Betrachter oder Erzähler hat Voltaire sich außerhalb eines eindeutigen ständischen Engagements gestellt; die Ironie seiner Beobachtungen kann gegen den Adel gerichtet sein und die Bürgerlichen amüsieren oder umgekehrt; der Spott kann dem Klerus gelten und die übrigen Stände unterhalten; der Spott kann auf die Unvollkommenheit der menschlichen Verhältnisse überhaupt gemünzt sein und findet Gehör bei »Philosophen« sowie Angehörigen aller drei Stände.
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    Private Laster können sich also auch nach Voltaire als öffentliche Wohltaten auswirken. [72] Aber getreu seiner empiristi-sehen Einstellung beschränkt sich Babouc darauf, das Nebeneinander des Negativer» und des Positiven, des Guten und des Schlechten festzustellen: Il soupçonna enfin qu il pourrait bien en être des mœurs de Persépolis comme des édifices, ont es uns lui avaient paru dignes de pitié, et les autres l’avaient ravi en admiration.
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    Zum Abschluß wollen wir die Ideen der Theodizee zusammenfassen, die von Voltaire in Frage gestellt werden.
    Der allmächtige Reiche und der machtlose Arme Bei Voltaires Auseinandersetzung mit dem Problem der Theodizee ist es dardm gegangen, ob und in welchem Sinn der einzelne eine Schöpfung akzeptiert, in 3er Gutes und Böses, Selbstlosigkeit und himmelschreiende Ungerechtigkeit, Vernürv11' ges und Unvernünftiges auf wenig harmonische Weise miteinander vermischt siPd-Die Lösung der Frage oder das resignierte Schweigen sind Probleme der individuell6'11 moralischen Beurteilung und Lebensführung.
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    Gott ist der allmächtige und allwissende Schöpfer und Architekt des Universums, dessen Wollen und Planen die Individuen absolut untergeordnet sind. [84] Voltaire hat die Frömmigkeit in die bittere Verzweiflung seiner Figuren verkehrt, die sich entweder, wie die Alte, fragen, ob der Selbstmord nicht eine Lösung wäre oder die, wie der Bruder Giroflée, am liebsten das Kloster in Brand stecken und zum Islam übertreten möchten (Candide, 12., 24.
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    Gott ist der allmächtige und allwissende Schöpfer und Architekt des Universums, dessen Wollen und Planen die Individuen absolut untergeordnet sind. [84] Voltaire hat die Frömmigkeit in die bittere Verzweiflung seiner Figuren verkehrt, die sich entweder, wie die Alte, fragen, ob der Selbstmord nicht eine Lösung wäre oder die, wie der Bruder Giroflée, am liebsten das Kloster in Brand stecken und zum Islam übertreten möchten (Candide, 12., 24. Kap. ); die »schwarze Melancholie«, von der Candide nach der Rückkehr aus Eldorado heimgesucht wird, ist an die Stelle von Glaube, Liebe, Hoffnung, den christlichen Kardinaltugenden, getreten.
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    Die Unterordnung des Individuums unter einen göttlichen Heilsplan stellt Voltaire in verzerrter Form als Abschlachten des einzelnen im Krieg dar, das gemäß einer barbarischen, undurchschaubaren Strategie erfolgt (ebd., 3., 11. Kap.). Die Idee einer gottgewollten Unterordnung wird ad absurdum geführt, indem die Universität von Coimbra ein Autodafe gegen weitere Erdbeben beschließt, und am gleichen Tag ein neues Beben stattfindet; oder indem Cunégonde ihre Leidensgeschichte mit den Worten beginnt: »Ich lag in meinem Bett in tiefem Schlaf, als es dem Himmel gefiel, die Bulgaren in unser schönes Schloß zu schicken [...]« (ebd., 6., 8. Kap.). Die Unterordnung des Individuums wird nicht zuletzt durch die erzählerische Verwendung des willkürlichen Zufalls außer Kraft gesetzt, indem die acht Mitglieder der »kleinen Gesellschaft« Auspeitschung, Hinrichtung, Überfälle, Vergewaltigungen, Syphilis, den Verlust einer Hinterbacke, Schlachtfelder, Sklaverei, Prostitution, eben eine Kette schrecklichen Unglücks (ebd., 27. Kap.), überleben und zwei sogar wie von den Toten auferstehen.
    Auch in seinen Tragödien, mit denen er ab 1718 bis zu seinem Todesjahr 1778 große Triumphe feiert, verfolgt Voltaire seinen Feldzug gegen Willkür, Gewaltherrschaft, Intoleranz, Fanatismus, Unterdrückung und Ungerechtigkeit.
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    Die Unterordnung des Individuums unter einen göttlichen Heilsplan stellt Voltaire in verzerrter Form als Abschlachten des einzelnen im Krieg dar, das gemäß einer barbarischen, undurchschaubaren Strategie erfolgt (ebd., 3., 11. Kap.). Die Idee einer gottgewollten Unterordnung wird ad absurdum geführt, indem die Universität von Coimbra ein Autodafe gegen weitere Erdbeben beschließt, und am gleichen Tag ein neues Beben stattfindet; oder indem Cunégonde ihre Leidensgeschichte mit den Worten beginnt: »Ich lag in meinem Bett in tiefem Schlaf, als es dem Himmel gefiel, die Bulgaren in unser schönes Schloß zu schicken [...]« (ebd., 6., 8. Kap.). Die Unterordnung des Individuums wird nicht zuletzt durch die erzählerische Verwendung des willkürlichen Zufalls außer Kraft gesetzt, indem die acht Mitglieder der »kleinen Gesellschaft« Auspeitschung, Hinrichtung, Überfälle, Vergewaltigungen, Syphilis, den Verlust einer Hinterbacke, Schlachtfelder, Sklaverei, Prostitution, eben eine Kette schrecklichen Unglücks (ebd., 27. Kap.), überleben und zwei sogar wie von den Toten auferstehen.
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    Die Unterordnung des Individuums unter einen göttlichen Heilsplan stellt Voltaire in verzerrter Form als Abschlachten des einzelnen im Krieg dar, das gemäß einer barbarischen, undurchschaubaren Strategie erfolgt (ebd., 3., 11. Kap.). Die Idee einer gottgewollten Unterordnung wird ad absurdum geführt, indem die Universität von Coimbra ein Autodafe gegen weitere Erdbeben beschließt, und am gleichen Tag ein neues Beben stattfindet; oder indem Cunégonde ihre Leidensgeschichte mit den Worten beginnt: »Ich lag in meinem Bett in tiefem Schlaf, als es dem Himmel gefiel, die Bulgaren in unser schönes Schloß zu schicken [...]« (ebd., 6., 8. Kap.). Die Unterordnung des Individuums wird nicht zuletzt durch die erzählerische Verwendung des willkürlichen Zufalls außer Kraft gesetzt, indem die acht Mitglieder der »kleinen Gesellschaft« Auspeitschung, Hinrichtung, Überfälle, Vergewaltigungen, Syphilis, den Verlust einer Hinterbacke, Schlachtfelder, Sklaverei, Prostitution, eben eine Kette schrecklichen Unglücks (ebd., 27. Kap.), überleben und zwei sogar wie von den Toten auferstehen.
    Voltaires Contes fügen sich somit organisch in seinen weltanschaulichen Entwicklungsprozeß ein. Damit erhebt sich zugleich die Frage, wie er denn sein weltanschauliches Anliegen mit den an die Contes zu stellenden literarisch-ästhetischen Anforderungen zu verbinden vermochte. Mußte diese vordringlich ideologisch-didaktische Funktion seiner Contes nicht zwangsläufig deren literarischen Wert mindern oder überhaupt in Frage stellen? Faßt man die Handlung der verschiedenen Contes philosophiques ins Auge, die Fülle von unglaublichen Abenteuern und phantastischen Geschehnissen, die zahlreichen Zutaten aus orientalischen Märchen und der europäischen Feenwelt, so scheint der Abbildcharakter dieser Literatur zunächst in Frage gestellt. Bei einer aufmerksameren Betrachtung bietet sich jedoch ein weit anderes Bild. Sieht man von der willkürlichen, dennoch einer bestimmten Absicht entsprechenden Verknüpfung der Geschehnisse ab, bemüht man sich, den Schleier der phantastisch-exotischen Verhüllung zu zerreißen, so präsentieren die Contes dem Leser mit einemmal eine Fülle von zutiefst realistischen Details und Episodenschilderungen, wie sie in ihrer prägnanten Deutlichkeit und Schärfe kaum zu übertreffen sind. So werden an zahlreichen Stellen, angefangen von Le monde comme il va bis zu Candide, das Thema des Krieges aufgegriffen, die divergierenden Interessen der Herrschenden als dessen Entstehungsursachen aufgezeigt und die schrecklichen Konsequenzen des Krieges für die betroffenen Menschen in aufrüttelnden Schilderungen angeprangert, die leider bis heute nichts an Aktualität eingebüßt haben. Hierzu ein Beispiel aus Candide, wo der Held eben eine furchtbare Schlacht überlebt hat: „(Candide) stieg über Berge von Toten und Sterbenden und erreichte zunächst ein benachbartes Dorf, das in Schutt und Asche lag... Hier sahen über und über mit Wunden bedeckte Greise zu, wie ihre Frauen erwürgt wurden und noch im Sterben ihre Kinder an die blutenden Brüste preßten. Dort hauchten Mädchen mit aufgeschlitzten Bäuchen ihre letzten Seufzer aus, nachdem einige Helden ihre natürlichen Bedürfnisse an ihnen befriedigt hatten. Andere, die halb verbrannt waren, flehten schreiend um den Gnadenstoß – und ringsum bedeckten Gehirne neben abgehauenen Armen und Beinen den Boden.“ Viele andere Episoden geißeln in nicht weniger schockierenden, reale Sachverhalte spiegelnden Bildern despotischen Machtmißbrauch und Ämterschacher, religiösen Fanatismus und Verfolgungen, moralische Heuchelei und Justizgreuel, Verschwendungssucht und ungerechte Besteuerung wie ihre Kehrseite – hoffnungslose soziale Not für breite Volksschichten.
    Als Symbol der Aufklärung gilt auch weiterhin Voltaire, weil er mit seinem Schlachtruf „Ecrasez l’Infäme“ nicht nur in seinem literarischen Œuvre gegen Intoleranz, Korruption, Willkür, Ungerechtigkeit und Amtsmißbrauch polemisiert, sondern weil er maßgeblich zur Etablierung eines philosophisch-antitheologischen Geschichtskonzepts beiträgt („Le siècle de Louis XIV“, 1752; „Essai sur l’histoire générale et sur les mœurs et l’esprit des nations depuis Charlemagne jusqu’à nos jours“, 1756) und sowohl in seinen philosophischen Werken („Dictionnaire philosophique portatif“, 1764; „Questions sur ['Encyclopédie“, 1770-72) als auch in zahllosen Protest-, Spott- und Kampfschriften politische und soziale Mißstände anprangert.
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    Die Unterordnung des Individuums wird nicht zuletzt durch die erzählerische Verwen-' “ng des willkürlichen Zufalls außer Kraft gesetzt, indem die acht Mitglieder der "kleinen Gesellschaft« Auspeitschung, Hinrichtung, Überfälle, Vergewaltigungen, ypbihs, den Verlust einer Hinterbacke, Schlachtfelder, Sklaverei, Prostitution, eben "nc Kette schrecklichen Unglücks (ebd., 27. Kap. ), überleben und zwei sogar wie von loten auferstehen. Un U Se’Verbunden im Kosmos; Gott habe das Glück aller Geschöpfe im Auge, das tlgUck einiger weniger könne als Begleiterscheinung eines allgemeineren Guten geschehen; ein Übel könne Gutes bewirken; alles in dieser Welt sei dank göttli^ Çr Weisheit miteinander verkettet — diese Vorstellungen hat Leibniz entwickelt. Einen Sinn 1111 Weltenlauf zu suchen, nach Ursache und Wirkung, der Erbsünde, dem Wesen » er Seele, dem Weltenplan zu fragen, ist Gerede, Spekulation, dem die praktische Geÿta' tung der Welt durch und für den Menschen gegenübergestellt wird.
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    Die Unterordnung des Individuums wird nicht zuletzt durch die erzählerische Verwen-' “ng des willkürlichen Zufalls außer Kraft gesetzt, indem die acht Mitglieder der "kleinen Gesellschaft« Auspeitschung, Hinrichtung, Überfälle, Vergewaltigungen, ypbihs, den Verlust einer Hinterbacke, Schlachtfelder, Sklaverei, Prostitution, eben "nc Kette schrecklichen Unglücks (ebd., 27. Kap. ), überleben und zwei sogar wie von loten auferstehen. Un U Se’Verbunden im Kosmos; Gott habe das Glück aller Geschöpfe im Auge, das tlgUck einiger weniger könne als Begleiterscheinung eines allgemeineren Guten geschehen; ein Übel könne Gutes bewirken; alles in dieser Welt sei dank göttli^ Çr Weisheit miteinander verkettet — diese Vorstellungen hat Leibniz entwickelt. Einen Sinn 1111 Weltenlauf zu suchen, nach Ursache und Wirkung, der Erbsünde, dem Wesen » er Seele, dem Weltenplan zu fragen, ist Gerede, Spekulation, dem die praktische Geÿta' tung der Welt durch und für den Menschen gegenübergestellt wird.
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    Die Unterordnung des Individuums wird nicht zuletzt durch die erzählerische Verwen-' “ng des willkürlichen Zufalls außer Kraft gesetzt, indem die acht Mitglieder der "kleinen Gesellschaft« Auspeitschung, Hinrichtung, Überfälle, Vergewaltigungen, ypbihs, den Verlust einer Hinterbacke, Schlachtfelder, Sklaverei, Prostitution, eben "nc Kette schrecklichen Unglücks (ebd., 27. Kap. ), überleben und zwei sogar wie von loten auferstehen. Un U Se’Verbunden im Kosmos; Gott habe das Glück aller Geschöpfe im Auge, das tlgUck einiger weniger könne als Begleiterscheinung eines allgemeineren Guten geschehen; ein Übel könne Gutes bewirken; alles in dieser Welt sei dank göttli^ Çr Weisheit miteinander verkettet — diese Vorstellungen hat Leibniz entwickelt. Einen Sinn 1111 Weltenlauf zu suchen, nach Ursache und Wirkung, der Erbsünde, dem Wesen » er Seele, dem Weltenplan zu fragen, ist Gerede, Spekulation, dem die praktische Geÿta' tung der Welt durch und für den Menschen gegenübergestellt wird.
    Voltaire strebt hier keine äußere Detailtreue an. Ohne Bedenken legt er einem ungebildeten Sklaven Worte in den Mund, die dessen geistigen Horizont weit übersteigen. Dennoch hat seine Aussage einen zutiefst realistischen Gehalt, da sie real existierende Zusammenhänge gesellschaftlicher Erscheinungen ins Bewußtsein hebt. Mit der bildhaften und abrupten Nebeneinanderstellung von Sklavenelend, Zuckerverbrauch in Europa und christlicher Missionstätigkeit werden an sich bekannte Sachverhalte gleichsam „verfremdet“, in ein neues Licht gerückt, das die sonst verdeckten und unbeachtete Beziehungen zwischen ihnen erhellt.
    Auch in seinen Tragödien, mit denen er ab 1718 bis zu seinem Todesjahr 1778 große Triumphe feiert, verfolgt Voltaire seinen Feldzug gegen Willkür, Gewaltherrschaft, Intoleranz, Fanatismus, Unterdrückung und Ungerechtigkeit.
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    Die Unterordnung des Individuums wird nicht zuletzt durch die erzählerische Verwen-' “ng des willkürlichen Zufalls außer Kraft gesetzt, indem die acht Mitglieder der "kleinen Gesellschaft« Auspeitschung, Hinrichtung, Überfälle, Vergewaltigungen, ypbihs, den Verlust einer Hinterbacke, Schlachtfelder, Sklaverei, Prostitution, eben "nc Kette schrecklichen Unglücks (ebd., 27. Kap. ), überleben und zwei sogar wie von loten auferstehen. Un U Se’Verbunden im Kosmos; Gott habe das Glück aller Geschöpfe im Auge, das tlgUck einiger weniger könne als Begleiterscheinung eines allgemeineren Guten geschehen; ein Übel könne Gutes bewirken; alles in dieser Welt sei dank göttli^ Çr Weisheit miteinander verkettet — diese Vorstellungen hat Leibniz entwickelt. Einen Sinn 1111 Weltenlauf zu suchen, nach Ursache und Wirkung, der Erbsünde, dem Wesen » er Seele, dem Weltenplan zu fragen, ist Gerede, Spekulation, dem die praktische Geÿta' tung der Welt durch und für den Menschen gegenübergestellt wird.
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    Die Unterordnung des Individuums wird nicht zuletzt durch die erzählerische Verwen-' “ng des willkürlichen Zufalls außer Kraft gesetzt, indem die acht Mitglieder der "kleinen Gesellschaft« Auspeitschung, Hinrichtung, Überfälle, Vergewaltigungen, ypbihs, den Verlust einer Hinterbacke, Schlachtfelder, Sklaverei, Prostitution, eben "nc Kette schrecklichen Unglücks (ebd., 27. Kap. ), überleben und zwei sogar wie von loten auferstehen. Un U Se’Verbunden im Kosmos; Gott habe das Glück aller Geschöpfe im Auge, das tlgUck einiger weniger könne als Begleiterscheinung eines allgemeineren Guten geschehen; ein Übel könne Gutes bewirken; alles in dieser Welt sei dank göttli^ Çr Weisheit miteinander verkettet — diese Vorstellungen hat Leibniz entwickelt. Einen Sinn 1111 Weltenlauf zu suchen, nach Ursache und Wirkung, der Erbsünde, dem Wesen » er Seele, dem Weltenplan zu fragen, ist Gerede, Spekulation, dem die praktische Geÿta' tung der Welt durch und für den Menschen gegenübergestellt wird.
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    (Discours sur les sciences et les arts, S. 3) Die Verherrlichung der seit der Renaissance errungenen wissenschaftlichen, philosophischen und zivilisatorischen Fortschritte gehörte zum kulturellen Selbstverständnis der übrigen Aufklärer — man denke nur an Voltaires Kontrastierung der Altstadt von Paris mit den Bauwerken aus der neueren Zeit (s. o. 2.4.)!
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    (Discours sur les sciences et les arts, S. 3) Die Verherrlichung der seit der Renaissance errungenen wissenschaftlichen, philosophischen und zivilisatorischen Fortschritte gehörte zum kulturellen Selbstverständnis der übrigen Aufklärer — man denke nur an Voltaires Kontrastierung der Altstadt von Paris mit den Bauwerken aus der neueren Zeit (s. o. 2.4.)!
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    Das Prinzip der egoistischen Gesinnung, des »intérêt personnel«, woraus Aufklärer wie d’Holbach und Voltaire das allgemeine Glück glaubten herleiten zu können, zerstört die Gesellschaft. [91] Das Prinzip der Gesellschaft, den Konkurrenzkampf, erläutert Rousseau mit den Schriftstellern, den Philosophen, »ces amis de la sagesse«, die wie Scharlatane auf dem Marktplatz ihre einander widersprechenden Weisheiten an den Mann zu bringen versuchen.
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    So reagiert Voltaire postwendend auf PaLissots Stück mit seiner Komödie Le café ou L'Ecossaise (s.
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    Jh. einerseits noch von der Ästhetik der französischen Klassik geprägt ist, andererseits sich aber bereits im Ablösungsprozeß von der doctrine classqiue befindet, belegt exemplarisch Voltaires kritischsatirischer „Temple du goût“ (1733), eine in Vers und Prosa abgefaßte allegorische Reise zum Tempel des guten Geschmacks, die als literaturkritischer Essay zu lesen ist.
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    Obschon Voltaire der klassischen Dramaturgie formal verhaftet bleibt, gehen von ihm entscheidende Impulse für eine Auflösung des starren Regelkorsetts aus: Indem er neben antiken Stoffen auch neue Stoffkreise für seine philosophischen Tragödien fruchtbar macht - vor allem die nationale Geschichte („Zaire“, 1732; „Adélaïde du Gues-clin“, 1734) und außereuropäische Stoffe -und damit zugleich als exotisch geltende Handlungsorte für salonfähig erklärt - etwa Peru („Alzire“, 1736), den Nahen Osten („Le fanatisme ou Mahomet le prophète“, 1741) und China („L’orphelin de la Chine“, 1755) - überwindet er die doctrine classique bereits thematisch.
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    Obschon Voltaire der klassischen Dramaturgie formal verhaftet bleibt, gehen von ihm entscheidende Impulse für eine Auflösung des starren Regelkorsetts aus: Indem er neben antiken Stoffen auch neue Stoffkreise für seine philosophischen Tragödien fruchtbar macht - vor allem die nationale Geschichte („Zaire“, 1732; „Adélaïde du Gues-clin“, 1734) und außereuropäische Stoffe -und damit zugleich als exotisch geltende Handlungsorte für salonfähig erklärt - etwa Peru („Alzire“, 1736), den Nahen Osten („Le fanatisme ou Mahomet le prophète“, 1741) und China („L’orphelin de la Chine“, 1755) - überwindet er die doctrine classique bereits thematisch.
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    Obschon Voltaire der klassischen Dramaturgie formal verhaftet bleibt, gehen von ihm entscheidende Impulse für eine Auflösung des starren Regelkorsetts aus: Indem er neben antiken Stoffen auch neue Stoffkreise für seine philosophischen Tragödien fruchtbar macht - vor allem die nationale Geschichte („Zaire“, 1732; „Adélaïde du Gues-clin“, 1734) und außereuropäische Stoffe -und damit zugleich als exotisch geltende Handlungsorte für salonfähig erklärt - etwa Peru („Alzire“, 1736), den Nahen Osten („Le fanatisme ou Mahomet le prophète“, 1741) und China („L’orphelin de la Chine“, 1755) - überwindet er die doctrine classique bereits thematisch.
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    seit 1739) abzeichneten, die Frage nach der Bestimmung des Menschen, nach der Einrichtung der Welt, die Voltaire hier noch - leicht modifiziert - beantwortet, wie Leibniz und Pope dies vorgegeben hatten.
    Zadigs endlicher Aufstieg und sein politisches Wirken am Schluß der Erzählung sind Ausdruck von Voltaires Glauben an eine trotz möglicher Einwände bestehende innere Ordnung der Welt und an das Fortschreiten der Aufklärung.
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    Voltaires leidenschaftlicher Appell für die unschuldig Verfolgten Calas, Sirven und La Barre, die in den sechziger Jahren Opfer eines verbrecherischen religiösen Fanatismus wurden, schwingen noch mit im Ingénu (1767; „Das Naturkind“), dem einzigen Conte Voltaires, wo direkt das Mitgefühl der Leser mit den literarischen Helden angesprochen wird.
    Voltaires Contes fügen sich somit organisch in seinen weltanschaulichen Entwicklungsprozeß ein. Damit erhebt sich zugleich die Frage, wie er denn sein weltanschauliches Anliegen mit den an die Contes zu stellenden literarisch-ästhetischen Anforderungen zu verbinden vermochte. Mußte diese vordringlich ideologisch-didaktische Funktion seiner Contes nicht zwangsläufig deren literarischen Wert mindern oder überhaupt in Frage stellen? Faßt man die Handlung der verschiedenen Contes philosophiques ins Auge, die Fülle von unglaublichen Abenteuern und phantastischen Geschehnissen, die zahlreichen Zutaten aus orientalischen Märchen und der europäischen Feenwelt, so scheint der Abbildcharakter dieser Literatur zunächst in Frage gestellt. Bei einer aufmerksameren Betrachtung bietet sich jedoch ein weit anderes Bild. Sieht man von der willkürlichen, dennoch einer bestimmten Absicht entsprechenden Verknüpfung der Geschehnisse ab, bemüht man sich, den Schleier der phantastisch-exotischen Verhüllung zu zerreißen, so präsentieren die Contes dem Leser mit einemmal eine Fülle von zutiefst realistischen Details und Episodenschilderungen, wie sie in ihrer prägnanten Deutlichkeit und Schärfe kaum zu übertreffen sind. So werden an zahlreichen Stellen, angefangen von Le monde comme il va bis zu Candide, das Thema des Krieges aufgegriffen, die divergierenden Interessen der Herrschenden als dessen Entstehungsursachen aufgezeigt und die schrecklichen Konsequenzen des Krieges für die betroffenen Menschen in aufrüttelnden Schilderungen angeprangert, die leider bis heute nichts an Aktualität eingebüßt haben. Hierzu ein Beispiel aus Candide, wo der Held eben eine furchtbare Schlacht überlebt hat: „(Candide) stieg über Berge von Toten und Sterbenden und erreichte zunächst ein benachbartes Dorf, das in Schutt und Asche lag... Hier sahen über und über mit Wunden bedeckte Greise zu, wie ihre Frauen erwürgt wurden und noch im Sterben ihre Kinder an die blutenden Brüste preßten. Dort hauchten Mädchen mit aufgeschlitzten Bäuchen ihre letzten Seufzer aus, nachdem einige Helden ihre natürlichen Bedürfnisse an ihnen befriedigt hatten. Andere, die halb verbrannt waren, flehten schreiend um den Gnadenstoß – und ringsum bedeckten Gehirne neben abgehauenen Armen und Beinen den Boden.“ Viele andere Episoden geißeln in nicht weniger schockierenden, reale Sachverhalte spiegelnden Bildern despotischen Machtmißbrauch und Ämterschacher, religiösen Fanatismus und Verfolgungen, moralische Heuchelei und Justizgreuel, Verschwendungssucht und ungerechte Besteuerung wie ihre Kehrseite – hoffnungslose soziale Not für breite Volksschichten.
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    Voltaires Contes fügen sich somit organisch in seinen weltanschaulichen Entwicklungsprozeß ein. Damit erhebt sich zugleich die Frage, wie er denn sein weltanschauliches Anliegen mit den an die Contes zu stellenden literarisch-ästhetischen Anforderungen zu verbinden vermochte. Mußte diese vordringlich ideologisch-didaktische Funktion seiner Contes nicht zwangsläufig deren literarischen Wert mindern oder überhaupt in Frage stellen? Faßt man die Handlung der verschiedenen Contes philosophiques ins Auge, die Fülle von unglaublichen Abenteuern und phantastischen Geschehnissen, die zahlreichen Zutaten aus orientalischen Märchen und der europäischen Feenwelt, so scheint der Abbildcharakter dieser Literatur zunächst in Frage gestellt. Bei einer aufmerksameren Betrachtung bietet sich jedoch ein weit anderes Bild. Sieht man von der willkürlichen, dennoch einer bestimmten Absicht entsprechenden Verknüpfung der Geschehnisse ab, bemüht man sich, den Schleier der phantastisch-exotischen Verhüllung zu zerreißen, so präsentieren die Contes dem Leser mit einemmal eine Fülle von zutiefst realistischen Details und Episodenschilderungen, wie sie in ihrer prägnanten Deutlichkeit und Schärfe kaum zu übertreffen sind. So werden an zahlreichen Stellen, angefangen von Le monde comme il va bis zu Candide, das Thema des Krieges aufgegriffen, die divergierenden Interessen der Herrschenden als dessen Entstehungsursachen aufgezeigt und die schrecklichen Konsequenzen des Krieges für die betroffenen Menschen in aufrüttelnden Schilderungen angeprangert, die leider bis heute nichts an Aktualität eingebüßt haben. Hierzu ein Beispiel aus Candide, wo der Held eben eine furchtbare Schlacht überlebt hat: „(Candide) stieg über Berge von Toten und Sterbenden und erreichte zunächst ein benachbartes Dorf, das in Schutt und Asche lag... Hier sahen über und über mit Wunden bedeckte Greise zu, wie ihre Frauen erwürgt wurden und noch im Sterben ihre Kinder an die blutenden Brüste preßten. Dort hauchten Mädchen mit aufgeschlitzten Bäuchen ihre letzten Seufzer aus, nachdem einige Helden ihre natürlichen Bedürfnisse an ihnen befriedigt hatten. Andere, die halb verbrannt waren, flehten schreiend um den Gnadenstoß – und ringsum bedeckten Gehirne neben abgehauenen Armen und Beinen den Boden.“ Viele andere Episoden geißeln in nicht weniger schockierenden, reale Sachverhalte spiegelnden Bildern despotischen Machtmißbrauch und Ämterschacher, religiösen Fanatismus und Verfolgungen, moralische Heuchelei und Justizgreuel, Verschwendungssucht und ungerechte Besteuerung wie ihre Kehrseite – hoffnungslose soziale Not für breite Volksschichten.
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    Bestreiten läßt sich auch nicht, daß er Zufälle und äußere Kausalzusammenhänge zum bestimmenden Faktor für den wechselvollen Lebensweg seiner Helden erhob, wobei er dies im Gegensatz zu den Romanautoren seiner Zeit sogar parodistisch hervorkehrte.
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    Die sich daraus ergebenden Unwahrscheinlichkeiten im Handlungsablauf vermag er - wie bereits oben vermerkt - durch den parodistischen Bezug auf die in seiner Zeit geübte Romanpraxis mit Selbstironie geschickt zu übergehen.
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    Er stößt auf diese Weise in seinen Contes zu den gesellschaftlichen Kernfragen der Aufklärung vor, die in seiner Darstellung in ein neues Licht rücken. Insofern ist die Aussage seines erzählerischen Werkes ganz gewiß realistisch, auch wenn er sich phantastischer und märchenhafter Motive und Einkleidungen bedient und wenn er den Handlungsablauf häufig bewußt unwahrscheinlich anlegt. Denn ungeachtet dessen legt sein Werk die Mißstände seiner Welt schonungsloser bloß, als es in vielen zeitgenössischen Romanen gewagt wurde. Die abbildende und die bildende Funktion der Voltaireschen Contes zeigt sich in einer dialektischen Einheit, die ihre Schlagkraft in den Kämpfen der Aufklärung bewiesen hat. 4. Zum Problem von ästhetischer Distanz und Einfühlung Während die Romane im 18. Jahrhundert insbesondere im Zuge ihrer Psychologisierung (Marivaux, Prévost, Richardson) zunehmend eine emotionale Wirkung beim Leser hervorzurufen suchten, ihn rühren sowie Mitgefühl für den Helden bei ihm erzeugen wollten – Richardson, so wird berichtet, habe über das Schicksal seiner eigenen Romanhelden Tränen vergossen! –, lag es in der Natur der Contes mit ihrer distanzierten Phantasiewelt, die von Feen und Zauberern erfüllt war, derartige Momente einer Einfühlung beim Leser nicht aufkommen zu lassen.
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    Berühmtestes Beispiel für die Anwendung des verfremdenden Kontrastes bei Voltaire ist die bereits in den Lettres philosophiques enthaltene Schilderung der Londoner Börse mit der Nebeneinanderstellung von Religion und Geschäft: „Treten Sie in die Londoner Börse ein, diesen Ort, der achtenswerter ist als viele Höfe; sie sehen dort die Abgeordneten aller Nationen zum Nutzen der Menschen versammelt.
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    Berühmtestes Beispiel für die Anwendung des verfremdenden Kontrastes bei Voltaire ist die bereits in den Lettres philosophiques enthaltene Schilderung der Londoner Börse mit der Nebeneinanderstellung von Religion und Geschäft: „Treten Sie in die Londoner Börse ein, diesen Ort, der achtenswerter ist als viele Höfe; sie sehen dort die Abgeordneten aller Nationen zum Nutzen der Menschen versammelt.
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    Voltaire strebt hier keine äußere Detailtreue an. Ohne Bedenken legt er einem ungebildeten Sklaven Worte in den Mund, die dessen geistigen Horizont weit übersteigen. Dennoch hat seine Aussage einen zutiefst realistischen Gehalt, da sie real existierende Zusammenhänge gesellschaftlicher Erscheinungen ins Bewußtsein hebt. Mit der bildhaften und abrupten Nebeneinanderstellung von Sklavenelend, Zuckerverbrauch in Europa und christlicher Missionstätigkeit werden an sich bekannte Sachverhalte gleichsam „verfremdet“, in ein neues Licht gerückt, das die sonst verdeckten und unbeachtete Beziehungen zwischen ihnen erhellt.
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    Von Voltaire als „la canaille de la littérature“ diffamiert, wird dieser Typus des Schriftstellers doch von Voltaire selbst („Le pauvre diable“, 1760) und von Diderot („Le neveu de Rameau“, um 1761/62 begonnen) zur literarischen Figur erhoben.
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    Voltaire (1694-1778), der im Laufe des Jahrhunderts zum Inbegriff der Aufklärung avanciert, muß schon 1717 wegen satirischer Verse gegen den König ins Gefängnis, wo er mit der Abfassung eines Epos über den toleranten Heinrich IV. beginnt.
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    Auch in seinen Tragödien, mit denen er ab 1718 bis zu seinem Todesjahr 1778 große Triumphe feiert, verfolgt Voltaire seinen Feldzug gegen Willkür, Gewaltherrschaft, Intoleranz, Fanatismus, Unterdrückung und Ungerechtigkeit. Eine weitaus offenere Kritik an diesen Mißständen findet sich in seinen „Lettres philosophiques" (1734), in denen er Frankreich durch den Vergleich mit der in England verwirklichten Religionsfreiheit, konstitutionellen Monarchie und Meinungsfreiheit kritisiert.
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    Als Symbol der Aufklärung gilt auch weiterhin Voltaire, weil er mit seinem Schlachtruf „Ecrasez l’Infäme“ nicht nur in seinem literarischen Œuvre gegen Intoleranz, Korruption, Willkür, Ungerechtigkeit und Amtsmißbrauch polemisiert, sondern weil er maßgeblich zur Etablierung eines philosophisch-antitheologischen Geschichtskonzepts beiträgt („Le siècle de Louis XIV“, 1752; „Essai sur l’histoire générale et sur les mœurs et l’esprit des nations depuis Charlemagne jusqu’à nos jours“, 1756) und sowohl in seinen philosophischen Werken („Dictionnaire philosophique portatif“, 1764; „Questions sur ['Encyclopédie“, 1770-72) als auch in zahllosen Protest-, Spott- und Kampfschriften politische und soziale Mißstände anprangert.
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    Als Symbol der Aufklärung gilt auch weiterhin Voltaire, weil er mit seinem Schlachtruf „Ecrasez l’Infäme“ nicht nur in seinem literarischen Œuvre gegen Intoleranz, Korruption, Willkür, Ungerechtigkeit und Amtsmißbrauch polemisiert, sondern weil er maßgeblich zur Etablierung eines philosophisch-antitheologischen Geschichtskonzepts beiträgt („Le siècle de Louis XIV“, 1752; „Essai sur l’histoire générale et sur les mœurs et l’esprit des nations depuis Charlemagne jusqu’à nos jours“, 1756) und sowohl in seinen philosophischen Werken („Dictionnaire philosophique portatif“, 1764; „Questions sur ['Encyclopédie“, 1770-72) als auch in zahllosen Protest-, Spott- und Kampfschriften politische und soziale Mißstände anprangert. Er engagiert sich zudem in verschiedenen Justizskandalen (vgl. den „Traité sur la tolérance à l’occasion de la mort de Jean Calas“, 1763) und attackiert anti-philosophes wie Fréron, Moreau und Palissot, die ihrerseits seit linde der 50er Jahre massiv in Erscheinung treten und die Aufklärer angreifen: Moreau beleidigt die Enzyklopädisten in seinem Pamphlet „Nouveau mémoire pour servir à l’histoire des Cacouacs“ (1757), und Palissot verhöhnt sie später in seiner Komödie „Les philosophes" (1760).
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    Vielleicht hängt damit die Tatsache zusammen, daß die “großen” Aufklärer mit Ausnahme von Diderot (Supplément au voyage de Bougainville) die Utopie kaum gepflegt und sie allenfalls zuweilen in ihre Werke inkorporiert haben, wie Montesquieu die historische Gesellschaftstheorie der “Histoire des Troglodytes” in die Lettres persanes von 1721 (Briefe XI-XIV) oder Voltaire die im Kontext der Erzählung fragwürdige Utopie von Eldorado in seinem Candide von 1759 (Kap.
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    er hat allerdings mit einer Betrachtung der Vorurteile begonnen, die für das soziale Zusammenleben und für das individuelle moralische Verhalten allgemein anerkannt, notwendig seien.
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    Mit spitzen Worten, die ein sozialpolitisches Interesse verraten, setzt Voltaire der vernünftigen Beurteilung und Auflösung überlieferter Meinungen eine Grenze:
    Voltaire wird diese Spekulation in seiner scharfsinnigen Erzählung Micromegas (1752) aufnehmen und damit dem Vorgänger eine spöttische Huldigung darbringen.
    Voltaire stellt Bedeutung und Funktion des kirchlichen Gebotes im wörtlichen Sinn in Frage, indem er die Einwände dagegen in der Frageform formuliert.
    Mit der folgenden vierten Frage versucht Voltaire, die Glaubwürdigkeit der neu testamentarischen Überlieferung sowie die Begründung des Fastens mit der Nachfolge Christi zweifelhaft erscheinen zu lassen:
    Hat Voltaire hier aus der Bedeutung »Fasten« die weitreichende Bedeutung »Hungersnot« entwickelt, so setzt er eine weiter ausgreifende Bedeutung des Wunderbaren, Erstaunlichen an den Anfang seiner Kritik der »Miracles«, des Wunderglaubens, um dessen Unhaltbarkeit zu offenbaren.
    Das Aufbrechen einer verhärteten Botschaft zugunsten unterschiedlicher Konnotationen ließe sich als wirkungsvolle und besondere Vorgehensweise Voltairescher Vorurteilskritik auch mit anderen Artikeln des Dictionnaire philosophique zeigen (»Foi«, »Folie«, »Grace«, » Pretres«, » Prophetes «, » Resurrection «, » Theologien «, »Transsubstantiation«, »Vertu«).
    Als philosophischer Betrachter oder Erzähler hat Voltaire sich außerhalb eines eindeutigen ständischen Engagements gestellt; die Ironie seiner Beobachtungen kann gegen den Adel gerichtet sein und die Bürgerlichen amüsieren oder umgekehrt; der Spott kann auf die Unvollkommenheit der menschlichen Verhältnisse überhaupt gemünzt sein und findet Gehör bei »Philosophen« sowie Angehörigen aller drei Stände.
    Die Charaktere selbst werden von Voltaire am Anfang wie am Ende mit physischen oder psychischen Schwächen ausgestattet und deswegen verspottet:
    diese berühmte Formulierung hat Voltaire zu wütender Polemik gereizt.
    Den religiösen Fanatismus geißelt Voltaire in der Tragödie Mahomet (1741) – mit vollem Titel: Le fanatisme de Mahomet le prophète.
    So reagiert Voltaire postwendend auf PaLissots Stück mit seiner Komödie Le café ou L'Ecossaise (s. S. 33).
    Eine weitaus offenere Kritik an diesen Mißständen findet sich in seinen „Lettres philosophiques“ (1734), in denen er Frankreich durch den Vergleich mit der in England verwirklichten Religionsfreiheit, konstitutionellen Monarchie und Meinungsfreiheit kritisiert.
    Voltaire wagt zu sagen, was sonst niemand sagte, höchstens dachte; er richtet unentwegt seine Angriffe gegen alles durch Tradition und Vorurteile Sanktionierte, gegen alles, was den Menschen knechtet und fesselt.
    Als Dichter und namentlich als Schöpfer unvergleichlich witziger und fesselnder Romane und Novellen hätte Voltaire viel wärmere Anerkennung verdient, das über den Historiker und Philosophen gefällte Urteil mag im Lob und Tadel der Wahrheit nahe kommen.
    Die französische Aufklärung verkörpert sich in Voltaire, dem überragenden Ironiker, der Esprit, Spott, Angriffslust, Engagement, tatkräftige Zuversicht und universales schriftstellerisches Talent vereint.
    Voltaire lässt seinen Aufenthalt in Sanssouci später in seinen amüsanten Mémoires pour servir à la vie de M. de Voltaire, écrits par lui-même (geschrieben 1758/1759) ironisch Revue passieren, in denen er auch die Homosexualität des Monarchen genüsslich verspottet.
    Es folgen Zerwürfnisse mit Friedrich II. und Maupertuis, schließlich um 1760 auch mit Rousseau – Voltaire zögert nicht, seine Widersacher in persönlichen oder offenen Briefen und Schmähschriften zu attackieren.
    Im Ergebnis seiner wissenschaftlichen Studien in Cirey zeigt Voltaire im Micromégas (1739) die Relativität der menschlichen Existenz im Universum, attackiert er das anthropozentrische Weltbild der christlichen Religion.
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    Mit spitzen Worten, die ein sozialpolitisches Interesse verraten, setzt Voltaire der vernünftigen Beurteilung und Auflösung überlieferter Meinungen eine Grenze:
    Auch politische und ökonomische Probleme oder Reformen diskutieren Voltaire und d’Holbach mit spürbarer Distanz gegenüber den Interessen der Mehrheit des dritten Standes.
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    Die Evidenz der selbständigen Erfahrungen und Überprüfung, der nach unserem Text der »echte Philosoph« allein zu folgen habe, erscheint als wichtige narrative Isotopie in den philosophischen Erzählungen Voltaires.
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    Voltaire wird im Artikel »Vertu« des Dictionnaire philosophique diese Trennung der privaten Neigungen von den gesellschaftlich schädlichen oder nützlichen als Grundlage einer säkularisierten Morallehre pointiert formulieren.
    Den Frauen, mit denen er in intime Beziehungen tritt, schenkt er „esprit“ statt „sentiment“, gefühlskühle Komplimente statt Zärtlichkeit, wohlausgedachte, zierlich gesetzte Lobreden, doch keine tiefempfundenen Worte der Verliebtheit.
    Bei Voltaire etabliert sich der Dialog als autonome Kurzform, die nur noch schwach fiktionalisiert ist.
    Voltaire zeigt sich aber auch als Meister der kleinen Form, des witzigen Bonmots, des knappen Dialogs, des so kurzen wie bissigen Lexikonartikels und ist wohl der schnellste und präsenteste der ›philosophes‹ und unter ihnen einer der militantesten.
    In den berühmten Justizaffären Calas, La Barre und Sirven setzt Voltaire sein polemisches Talent, seine Militanz und sein juristisches Geschick ein, um die Öffentlichkeit gegen den herrschenden religiösen Fanatismus und die Ungerechtigkeiten des französischen Rechtssystems zu mobilisieren (Traité sur la tolérance, à l’occasion de la mort de Jean Calas, 1763).
    Der katholische Denker, mit dem Voltaire sich trotz seiner Kirchenkritik wohl am intensivsten befasst und dem er seinen polemischen Stil teilweise verdankt, ist Blaise Pascal, dessen Philosophie in Frankreich vor und nach 1800 von Montesquieu bis zu Rousseau, Condorcet und Tocqueville viele bedeutende Köpfe geprägt hat.
    Mit Candide ou L’optimisme (1759), einem Höhepunkt seines Erzählwerks, einem Text, der Parallelen zu Samuel Johnsons im selben Jahr erschienenem Roman History of Rasselas, Prince of Abyssinia aufweist, bezieht Voltaire mit literarischer Raffinesse in dieser Streitfrage Stellung.
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    In beiden Gattungen ist Voltaire modellbildend, der lange vor seinen “contes philosophiques” in Auseinandersetzung mit dem religiösen Lehrgedicht etwa des Jansenisten Louis Racine schon seit 1722 das philosophische Lehrgedicht pflegt und sehr früh auch die “tragédie philosophique” einführt, um sein Welt- und Menschenbild publikumswirksam zum Ausdruck zu bringen.
    Die Vermittlung naturwissenschaftlicher Erkenntnisse in eleganter und unterhaltsamer Form wird im 18. Jh. Mode, etwa in Voltaires Éléments de la philosophie de Newton (1738/1741), in Italien bei Algarotti.
    Hier fügt sich auch ohne weiteres Voltaires erzählerisches Werk ein, das jedoch auf Grund der gelungenen Verbindung von philosophisch-moralischer Aussage mit neuen ästhetischen Prinzipien und auf Grund seiner dichterischen Qualität aus der Gesamtheit dieser Literatur herausragt.
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    Vielleicht hängt damit die Tatsache zusammen, daß die “großen” Aufklärer mit Ausnahme von Diderot (Supplément au voyage de Bougainville) die Utopie kaum gepflegt und sie allenfalls zuweilen in ihre Werke inkorporiert haben, wie Montesquieu die historische Gesellschaftstheorie der “Histoire des Troglodytes” in die Lettres persanes von 1721 (Briefe XI-XIV) oder Voltaire die im Kontext der Erzählung fragwürdige Utopie von Eldorado in seinem Candide von 1759 (Kap. XVII-XVIII) oder wie der Marquis de Sade in seinem Briefroman Aline et Valcour.
    Aber auch in Romanen mit einem "reliable narrator", wie etwa Fieldings Tom Jones oder Voltaires Candide, haben die Normen der Figuren über die perspektivische Vermittlung durch die Erzählinstanz hinweg ihre eigenständige Funktion für den Leser.
    Ein Erzähler überträgt einer Mehrzahl von Erzählfiguren die Aufgabe, ihre Erzählungen wiederzugeben und umfaßt diese nicht nur mit einer Rahmenerzählung, sondern mit einem Ereignisse, Teilnehmer und Erzähler bestimmenden oder lenkenden allgemeinen Thema: mit der Idee, daß Schein und Sein die Hofgesellschaft bestimmen („Heptaméron“); mit der Idee, daß der Mensch sich selbst das Paradies und dem Nächsten die Hölle ist (Sade, „Les 120 journées de Sodome“, 1782/85).
    Voltaire gab damit einer erzählerischen Neigung nach, die nicht erst jetzt zufällig entstanden war, sondern sich bereits in seinem frühen Geschichtswerk Histoire de Charles XII (1731; „Geschichte Karls XII.“) wie auch in einigen Anekdoten der Lettres philosophiques ou Lettres sur les Anglais (1734; „Philosophische Briefe oder Briefe über die Engländer“) nachweisen läßt.
    Wenn Voltaires erzählerischem Werk, das natürlich ebenfalls in diesen Zusammenhang gehört, hier ein besonderer Platz eingeräumt wird, so deshalb, weil es ihm gelungen ist, ideologische Aussage und Gesellschfaftskritik mit der literarisch-ästhetischen Gestaltung in origineller und qualitativ neuer Weise zu verbinden.
    Wenn er sich einerseits an die äußeren Formen der orientalischen Contes, der „Voyages imaginaires“, der Abenteuerromane oder der Reiseberichte hielt und dementsprechend alle Erzähltechniken, die Ich-Erzählung wie den Dialog oder die Erzählung in der dritten Person, den Memoirenbericht wie den Brief, die phantastisch-märchenhafte Darstellung wie die nüchterne, realistische Schilderung souverän beherrschte und anwandte, so betont er durch die parodistische Färbung doch zugleich die unüberbrückbare Kluft, die seine Prosawerke trotz zahlreicher übernommener Darstellungselemente von der bisherigen Erzählliteratur trennte.
    Doch nicht nur auf Zadig und eine Reihe von Nebenfiguren dieser Erzählung trifft dies zu, sondern beispielsweise auch auf kleinere Erzählungen wie Le crocheteur borgne („Der einäugige Lastträger“) oder Jeannot et Colin und in ganz besonderem Sinne auf den zweiten Teil des Ingénu, wo Voltaire – aus welchen Gründen auch immer – einmal in seiner Praxis als Erzähler sich bewußt der gefühlvollen Ausdrucksform der Romane Richardsonscher beziehungsweise Rousseauscher Prägung annähert.
    Insofern ist die Aussage seines erzählerischen Werkes ganz gewiß realistisch, auch wenn er sich phantastischer und märchenhafter Motive und Einkleidungen bedient und wenn er den Handlungsablauf häufig bewußt unwahrscheinlich anlegt.
    Voltaire bezeichnet nur eine einzige Erzählung als Novelle, und zwar die 1746 entstandene Cosi-Sancta, Un petit mal pour un grand bien (Nouvelle africaine).
    Die großen Autoren der Aufklärung, Diderot und Voltaire — vor ihnen bereits Montesquieu mit seiner Histoire véritable, die, schon früh konzipiert, erst 1754 in endgültiger Fassung vorlag — bemächtigen sich der Gattung des conte, um ihn zu einem Instrument ihrer kämpferischen Absichten zu machen.
    Im gleichen Jahre 1748 veröffentlichte auch Voltaire seine ersten contes,
    Die contes philosophiques Voltaires verwenden also die erzählende Tradition des 18. Jahrhunderts, um hinter einer unterhaltsamen Fassade etwas durchaus Ernstes zu sagen. Der Leser wird sich dabei aber kaum der Tatsache bewußt, daß ihm ernsthafte Erkenntnisse vermittelt werden, denn das Unterhaltungs-Element tritt so sehr in der Vordergrund, daß die in der Erzählung verborgene Kritik gleichsam unbemerkt in ihn eindringt.
    Diderot und insbesondere Voltaire bemächtigen sich dann des conte, um aus ihm ein Instrument geistigen Kampfes zu machen.
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    Voltaire (1694-1778), der im Laufe des Jahrhunderts zum Inbegriff der Aufklärung avanciert, muß schon 1717 wegen satirischer Verse gegen den König ins Gefängnis, wo er mit der Abfassung eines Epos über den toleranten Heinrich IV. beginnt.
    Der um die Jahrhundertmitte von Voltaire begründete conte philosophique dient der ironisch-satirischen Illustration philosophischer Thesen und der Kritik an zeitgenössischen Mißständen („Candide ou L’optimisme“, 1759).
    Wie stark das 18. Jh. einerseits noch von der Ästhetik der französischen Klassik geprägt ist, andererseits sich aber bereits im Ablösungsprozeß von der doctrine classqiue befindet, belegt exemplarisch Voltaires kritischsatirischer „Temple du goût“ (1733), eine in Vers und Prosa abgefaßte allegorische Reise zum Tempel des guten Geschmacks, die als literaturkritischer Essay zu lesen ist.
    Was ihm vernunftwidrig erscheint — z. B. das intolerante Christentum — wird mit den Waffen der Ironie und des Spottes bekämpft und findet fortan bei ihm keine Gnade und kein Verständnis mehr. Vernunftbeherrscht ist auch Voltaires Verhältnis zur Kunst.
    diese Absicht gelingt Voltaire aber nicht, weil sich alles bei ihm — fast mechanisch — in Rationelles umsetzt. Sein steter Hang zu Spott und Ironie, der sich im Laufe der Jahre immer mehr durchsetzt, trägt ein Erhebliches dazu bei, daß sein Empfindungsleben allmählich fast ganz ertötet wird.
    Die Menschen liebt Voltaire und verachtet sie zugleich, er kennt ihre Art, lacht spöttisch und überlegen über ihre Miseren, ist aber ebenso bereit, ihnen zu helfen ungeachtet des Undankes, den er oft erntet.
    Als Dichter und namentlich als Schöpfer unvergleichlich witziger und fesselnder Romane und Novellen hätte Voltaire viel wärmere Anerkennung verdient, das über den Historiker und Philosophen gefällte Urteil mag im Lob und Tadel der Wahrheit nahe kommen.
    In Voltaires Candide wird Leibniz’ metaphysischer Optimismus in der Figur des Pangloss karikiert, dessen Gegenspieler Martin Züge Bayles trägt.
    diesen führt vor allem Voltaire in der für ihn charakteristischen Form weiter, indem er die schwer entzifferbare Baylesche Ironie zu deutlicher ironischer Kritik ausbaut.
    Selbst wenn Voltaire Fontenelle als Akademiesekretär in Micromégas (1752) karikiert, ist seine Religionskritik dennoch von dessen witzigen Anekdoten und ›reductiones ad absurdum‹ des Aberglaubens stark beeinflusst.
    Die französische Aufklärung verkörpert sich in Voltaire, dem überragenden Ironiker, der Esprit, Spott, Angriffslust, Engagement, tatkräftige Zuversicht und universales schriftstellerisches Talent vereint.
    Voltaire lässt seinen Aufenthalt in Sanssouci später in seinen amüsanten Mémoires pour servir à la vie de M. de Voltaire, écrits par lui-même (geschrieben 1758/1759) ironisch Revue passieren, in denen er auch die Homosexualität des Monarchen genüsslich verspottet.
    Voltaires sprichwörtlicher Witz (›esprit‹) scheucht die faule Vernunft auf, Quelle von Vorurteilen, Denkfehlern und Aberglauben. Philosophische Fragestellungen werden literarisch durchgespielt und in provozierender Weise zugespitzt, Theorien ad absurdum geführt, Dogmen und Autoritäten auf Plausibilität geprüft.
    In Voltaires Micromégas sind die Reflexe von Liliput und Brob-dingnag nicht zu übersehen, wie auch die satirisch-polemische Zuspitzung der meisten seiner Contes von der besonderen Affinität zur Swiftschen Geisteshaltung zeugt.
    Bei der Abfassung seiner Contes philosophiques war Voltaire stets die literarische Tradition der Romane und Contes gegenwärtig, berief er sich auf sie und versäumte er zugleich nicht, mit Witz und Ironie deren Schwächen bloßzustellen und seine Distanz ihnen gegenüber zu betonen.
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    Die notwendige Folge solchen bewußten Abweichens von der Wahrheit mußte sein, daß er nicht selten auch da, wo keine persönliche Gefahr für ihn vorlag, Lügen im Brustton der Überzeugung vortrug, und daß er sich bisweilen bis zur abstoßendsten Heuchelei hinreißen ließ. Das alles hebt aber sein inneres Streben nach Wahrhaftigkeit nicht auf, es ist vorhanden und sucht sich immer wieder durchzusetzen.
    Ebenso stark wie Voltaires Wahrheitstrieb, aber auch ebenso äußerlich und innerlich gehemmt, ist sein leidenschaftliches Verlangen nach Unabhängigkeit, die er jedem anderen Gute vorzieht.
    Sein Feldzug für religiöse Toleranz bezieht Argumente Bayles und Lockes, aber auch pragmatische Motive ein, die er schon in den Lettres philosophiques angeführt hat und die sich ähnlich u. a. bei Montesquieu finden, wie z. B. nationalökonomische Vorteile des religiösen Pluralismus.
    Wenn er sich einerseits an die äußeren Formen der orientalischen Contes, der „Voyages imaginaires“, der Abenteuerromane oder der Reiseberichte hielt und dementsprechend alle Erzähltechniken, die Ich-Erzählung wie den Dialog oder die Erzählung in der dritten Person, den Memoirenbericht wie den Brief, die phantastisch-märchenhafte Darstellung wie die nüchterne, realistische Schilderung souverän beherrschte und anwandte, so betont er durch die parodistische Färbung doch zugleich die unüberbrückbare Kluft, die seine Prosawerke trotz zahlreicher übernommener Darstellungselemente von der bisherigen Erzählliteratur trennte.
    Die gesellschaftliche Wirklichkeit, wie sie sich in der Erfahrung des Individuums widerspiegelt, bildet für Voltaire den Prüfstein für bestehende Anschauungen und den Ausgangspunkt für die Gewinnung neuer Erkenntnisse.
    Voltaire ist darum in seinen Contes philosophiques bestrebt, durch eine geschickte und treffende Auswahl von Fakten und Situationen den Zusammenstoß von Theorie und Praxis in aller Schärfe zu provozieren.
    Die Beispiele für die konstruktiven, auf gesellschaftliche Nutzanwendung abzielenden Aussagen der Voltaireschen Contes ließen sich beliebig vermehren. Ihre eminent aufklärerisch-bildende Funktion springt ins Auge, bildend aber nicht in einem idealistisch-spekulativen Sinne, sondern auf die konkrete gesellschaftliche Wirklichkeit bezogen, die in aufklärerischem Sinne verändert werden soll.
    Im Gegensatz zu den sich einer realistischen Darstellungsweise bedienenden Romanen des 18. Jahrhunderts, die auf Grund ihrer objektiv beschreibenden Methode vornehmlich auf Sittenschilderungen und die Wiedergabe seelischen Erlebens eingegrenzt sind, erschließt Voltaire mit seinen Contes philosophiques eine weitere Dimension, indem er die Wirklichkeit unter einem philosophischen Aspekt betrachtet.
    Insofern ist die Aussage seines erzählerischen Werkes ganz gewiß realistisch, auch wenn er sich phantastischer und märchenhafter Motive und Einkleidungen bedient und wenn er den Handlungsablauf häufig bewußt unwahrscheinlich anlegt.
    Insofern ist die Aussage seines erzählerischen Werkes ganz gewiß realistisch, auch wenn er sich phantastischer und märchenhafter Motive und Einkleidungen bedient und wenn er den Handlungsablauf häufig bewußt unwahrscheinlich anlegt. Denn ungeachtet dessen legt sein Werk die Mißstände seiner Welt schonungsloser bloß, als es in vielen zeitgenössischen Romanen gewagt wurde.
    Voltaire ging es darum – und hier ist ein Vergleich zu dem Wirken Bertolt Brechts und den von ihm angewandten Methoden angebracht -, eine kritische und rationale Haltung des Lesers zur Wirklichkeit zu fördern, ihn in den Stand zu setzen, die tieferen gesellschaftlichen Zusammenhänge zu durchschauen und sich nicht vom individuellen Glück oder Unglück eines Helden derart gefangennehmen zu lassen, daß dadurch der Blick für die gesellschaftlichen Probleme im weiteren Sinne verstellt wird.
    Ohne Bedenken legt er einem ungebildeten Sklaven Worte in den Mund, die dessen geistigen Horizont weit übersteigen. Dennoch hat seine Aussage einen zutiefst realistischen Gehalt, da sie real existierende Zusammenhänge gesellschaftlicher Erscheinungen ins Bewußtsein hebt.
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    Die Vermittlung naturwissenschaftlicher Erkenntnisse in eleganter und unterhaltsamer Form wird im 18. Jh. Mode, etwa in Voltaires Éléments de la philosophie de Newton (1738/1741), in Italien bei Algarotti.
    Mit Recht hebt darum Barchilon unter Bezug auf die Zadig-Edition von G. Ascoli „die für Voltaire charakteristische Verbindung von feiner psychologischer Analyse mit einem geschwinden, humoristischen und suggestiven Stil“ hervor.
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    Voltaire verwendet oft märchenhafte, teilweise an Tausendundeine Nacht anknüpfende Elemente und Handlungsmuster, spielt mit romanesken Gattungstraditionen und bedient sich unterschiedlicher Techniken der Relativierung (nach Rabelais und Swift spielt auch Voltaire den Gegensatz von riesenhafter Größe und mikroskopisch Kleinem aus) sowie holzschnittartiger Dialoge.
    Wenn er sich einerseits an die äußeren Formen der orientalischen Contes, der „Voyages imaginaires“, der Abenteuerromane oder der Reiseberichte hielt und dementsprechend alle Erzähltechniken, die Ich-Erzählung wie den Dialog oder die Erzählung in der dritten Person, den Memoirenbericht wie den Brief, die phantastisch-märchenhafte Darstellung wie die nüchterne, realistische Schilderung souverän beherrschte und anwandte, so betont er durch die parodistische Färbung doch zugleich die unüberbrückbare Kluft, die seine Prosawerke trotz zahlreicher übernommener Darstellungselemente von der bisherigen Erzählliteratur trennte.
    Insofern ist die Aussage seines erzählerischen Werkes ganz gewiß realistisch, auch wenn er sich phantastischer und märchenhafter Motive und Einkleidungen bedient und wenn er den Handlungsablauf häufig bewußt unwahrscheinlich anlegt.
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    Voltaire verwendet oft märchenhafte, teilweise an Tausendundeine Nacht anknüpfende Elemente und Handlungsmuster, spielt mit romanesken Gattungstraditionen und bedient sich unterschiedlicher Techniken der Relativierung (nach Rabelais und Swift spielt auch Voltaire den Gegensatz von riesenhafter Größe und mikroskopisch Kleinem aus) sowie holzschnittartiger Dialoge.
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    In Voltaires Micromégas sind die Reflexe von Liliput und Brob-dingnag nicht zu übersehen, wie auch die satirisch-polemische Zuspitzung der meisten seiner Contes von der besonderen Affinität zur Swiftschen Geisteshaltung zeugt.
    Voltaire legt darin seinen Standpunkt zu aktuellen Problemen seiner Zeit dar; er will die von ihm gewonnenen Erkenntnisse auf plausible Weise seinen Lesern zugänglich machen. Nicht zufällig tragen daher seine Contes – vor allem bis zu Candide – den spezifischen Charakter eines „genre de confidence déguisée“ (Gattung, die in verhüllender Form vertrauliche Mitteilungen enthält), wie van den Heuvel bemerkt. Zugleich haben seine bedeutendsten Contes noch eine andere Funktion, nämlich die der literarischen Parodie.
    Wenn er sich einerseits an die äußeren Formen der orientalischen Contes, der „Voyages imaginaires“, der Abenteuerromane oder der Reiseberichte hielt und dementsprechend alle Erzähltechniken, die Ich-Erzählung wie den Dialog oder die Erzählung in der dritten Person, den Memoirenbericht wie den Brief, die phantastisch-märchenhafte Darstellung wie die nüchterne, realistische Schilderung souverän beherrschte und anwandte, so betont er durch die parodistische Färbung doch zugleich die unüberbrückbare Kluft, die seine Prosawerke trotz zahlreicher übernommener Darstellungselemente von der bisherigen Erzählliteratur trennte.
    Bestreiten läßt sich auch nicht, daß er Zufälle und äußere Kausalzusammenhänge zum bestimmenden Faktor für den wechselvollen Lebensweg seiner Helden erhob, wobei er dies im Gegensatz zu den Romanautoren seiner Zeit sogar parodistisch hervorkehrte.
    Die sich daraus ergebenden Unwahrscheinlichkeiten im Handlungsablauf vermag er – wie bereits oben vermerkt – durch den parodistischen Bezug auf die in seiner Zeit geübte Romanpraxis mit Selbstironie geschickt zu übergehen.
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    Doch nicht nur auf Zadig und eine Reihe von Nebenfiguren dieser Erzählung trifft dies zu, sondern beispielsweise auch auf kleinere Erzählungen wie Le crocheteur borgne („Der einäugige Lastträger“) oder Jeannot et Colin und in ganz besonderem Sinne auf den zweiten Teil des Ingénu, wo Voltaire – aus welchen Gründen auch immer – einmal in seiner Praxis als Erzähler sich bewußt der gefühlvollen Ausdrucksform der Romane Richardsonscher beziehungsweise Rousseauscher Prägung annähert.
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    Doch nicht nur auf Zadig und eine Reihe von Nebenfiguren dieser Erzählung trifft dies zu, sondern beispielsweise auch auf kleinere Erzählungen wie Le crocheteur borgne („Der einäugige Lastträger“) oder Jeannot et Colin und in ganz besonderem Sinne auf den zweiten Teil des Ingénu, wo Voltaire – aus welchen Gründen auch immer – einmal in seiner Praxis als Erzähler sich bewußt der gefühlvollen Ausdrucksform der Romane Richardsonscher beziehungsweise Rousseauscher Prägung annähert.
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    Obschon Voltaire der klassischen Dramaturgie formal verhaftet bleibt, gehen von ihm entscheidende Impulse für eine Auflösung des starren Regelkorsetts aus:
    Inhaltliche und formale Bezüge zu Homer und Vergil, zu Racine und Corneille belegen nicht nur Voltaires dichterisches Geschick, sondern auch seine Versuche, das Epos zu erneuern und in den Dienst der Aufklärung zu stellen.
    Deren Geburtsstunde jedoch fällt bereits in die glücklichen Jahre seines Zusammenseins mit der Marquise du Châtelet im abgeschiedenen Cirey, als er sich vor allem philosophischen und naturwissenschaftlichen Studien gewidmet hatte.
    Der enge Zusammenhang von philosophisch-moralischem Aussagegehalt, didaktischer Funktion und literarisch-ästhetischer Struktur seiner Contes macht es unerläßlich, ihre Interpretation auf der Grundlage der politisch-weltanschaulichen Entwicklung Voltaires vorzunehmen.
    Eben diese besonderen Eigenschaften rechtfertigen es aber auch, Voltaires Erzählungen als Contes philosophiques zu qualifizieren, nicht in dem Sinne, daß in allen Erzählungen eigentlich philosophische Themen behandelt würden, sondern vielmehr darum, weil sie sämtlich Einsichten vermitteln wollen, die die Aufklärung in der einen oder anderen Weise direkt befördern.
    Aus der oben skizzierten Zielstellung der Voltaireschen Contes philosophiques geht hervor, daß ihnen anders als dem Roman, der doch vor allem als Zeitchronik und Sittengemälde begriffen wurde, der vorgab, die Dinge darzustellen, „wie sie sind“, vornehmlich eine didaktisch-bildende Funktion zugedacht war.
    Voltaire sah in ihnen vor allem geeignete Instrumente zur aufklärerischen Bewußtseinsbildung, zur Überwindung des herrschenden, auf Vorurteilen basierenden Weltbildes.
    Die Beispiele für die konstruktiven, auf gesellschaftliche Nutzanwendung abzielenden Aussagen der Voltaireschen Contes ließen sich beliebig vermehren. Ihre eminent aufklärerisch-bildende Funktion springt ins Auge, bildend aber nicht in einem idealistisch-spekulativen Sinne, sondern auf die konkrete gesellschaftliche Wirklichkeit bezogen, die in aufklärerischem Sinne verändert werden soll.
    Als aufklärerische Vorurteile halten wir aus Voltaires Text fest: die Autorität der Eltern;
    Voltaires Traité sur la tolérance (1763) – gegen Vorurteile, Aberglauben und religiöse Intoleranz gerichtet — ist nur ein besonders bekanntes Beispiel.
    Das Beispiel Voltaires, vor allem der große Einfluß der englischen Philosophie (Locke, Shaftesbury) und Naturwissenschaften (Newton) sind in diesem Zusammenhang besonders bedeutsam.
    In beiden Gattungen ist Voltaire modellbildend, der lange vor seinen “contes philosophiques” in Auseinandersetzung mit dem religiösen Lehrgedicht etwa des Jansenisten Louis Racine schon seit 1722 das philosophische Lehrgedicht pflegt und sehr früh auch die “tragédie philosophique” einführt, um sein Welt- und Menschenbild publikumswirksam zum Ausdruck zu bringen.
    Seit 1755 arbeitet Voltaire mit an der Encyclopédie. Wenig später entsteht sein Dictionnaire philosophique portatif ou La raison par alphabet (1764/1769) im handlichen, erschwinglichen Taschenbuchformat, das er dem totalen und exklusiven Aufklärungsanspruch der vielbändigen, teuren und aufwendigen Encyclopédie entgegen setzt:
    Die Ernsthaftigkeit des gewitzten Voltaire, seine Militanz und sein aufklärerisches Ethos wurzeln in seinem Pragmatismus und einem Universalismus, der das Wirken der Vernunft immer und überall für wünschenswert und realisierbar hält; einem Universalismus, der auch die Moral betrifft: »Il n’y a qu’une morale […] comme il n’y a qu’une géométrie« (Artikel »morale« im Dictionnaire philosophique).
    Voltaires Einfluss und Rolle bleiben entscheidend im Kampf gegen Despotie, Aberglaube und Intoleranz.
    Neben der großen Wirkung Bayles und Fontenelles gelangen politische, naturwissenschaftliche und religionsphilosophische Gedanken englischer Philosophen (Hume, Locke) durch die Vermittlung Montesquieus und Voltaires in Frankreich in Umlauf.
    Als Symbol der Aufklärung gilt auch weiterhin Voltaire, weil er mit seinem Schlachtruf „Ecrasez l'Infâme“ nicht nur in seinem literarischen Œuvre gegen Intoleranz, Korruption, Willkür, Ungerechtigkeit und Amtsmißbrauch polemisiert, sondern weil er maßgeblich zur Etablierung eines philosophisch-antitheologischen Geschichtskonzepts beiträgt („Le siècle de Louis XIV“, 1752; „Essai sur l’histoire générale et sur les mœurs et l’esprit des nations depuis Charlemagne jusqu’à nos jours“, 1756) und sowohl in seinen philosophischen Werken („Dictionnaire philosophique portatif“, 1764; „Questions sur l'Encyclopédie“, 1770-72) als auch in zahllosen Protest-, Spott- und Kampfschriften politische und soziale Mißstände anprangert.
    Während die großen Autoren des 17. Jahrhunderts (etwa Descartes oder Leibniz) ihr Wissen vornehmlich unter ihresgleichen publik machten und daher teilweise noch auf Lateinisch schrieben, wollen ihre Nachfolger im 18. Jahrhundert (Montesquieu, Voltaire, Diderot, Rousseau) das Wissen allgemein verfügbar machen.
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    Indem er neben antiken Stoffen auch neue Stoffkreise für seine philosophischen Tragödien fruchtbar macht – vor allem die nationale Geschichte („Zaire“, 1732; „Adélaïde du Guesclin“, 1734) und außereuropäische Stoffe – und damit zugleich als exotisch geltende Handlungsorte für salonfähig erklärt – etwa Peru („Alzire“, 1736), den Nahen Osten („Le fanatisme ou Mahomet le prophète“, 1741) und China („L’orphelin de la Chine“, 1755) – überwindet er die doctrine classique bereits thematisch.
    Selbst wenn Voltaires Feind Jean Baptiste Rousseau – im 18. Jh. als „le grand Rousseau“ gefeiert – sowie Jean Racines Sohn Louis und Lefranc de Pompignan eine nach klassizistischen Regeln konzipierte religiöse Lyrik verfassen, so illustriert doch Voltaires aufklärerisch inspiriertes Epos „La Henriade“ (erste Fassung 1723, endgültige Fassung 1728) den distanzierten Umgang mit der französischen Klassik:
    Der aufklärerischen und moralisch-didaktischen Intention entsprechen auch die contes philosophiques Voltaires, die contes moraux Marmontels und die Dialogerzählungen Diderots, die jeweils fundamentale Neuerungen im Literatursystem der Aufklärung darstellen.
    Die meisten Werke Voltaires sind tendenziös und huldigen den Ideen, die er als vernunftgemäß richtig erkannt hat, vor allem Aufklärung und Toleranz.
    Deren Geburtsstunde jedoch fällt bereits in die glücklichen Jahre seines Zusammenseins mit der Marquise du Châtelet im abgeschiedenen Cirey, als er sich vor allem philosophischen und naturwissenschaftlichen Studien gewidmet hatte.
    Daß er sich dennoch einige Jahre später dazu entschloß und daß von da an die Contes zu seinem ständigen Repertoire gehörten, resultierte vor allem aus seinem aufklärerischen Anliegen, der auf Vernunft und Erfahrung gegründeten Wahrheit zum Durchbruch zu verhelfen, sowie nicht zuletzt aus der literarischen Situation seiner Zeit, der er dabei Rechnung zu tragen hatte.
    In Erkenntnis dieses unabänderlichen Tatbestandes der Beliebtheit und weiten Verbreitung der Romane machte er denn diese literarische Form seinem aufklärerischen Anliegen dienstbar.
    Voltaire als Vertreter des aufsteigenden Bürgertums verfolgte das Anliegen, der Aufklärung zum Durchbruch zu verhelfen, um damit das metaphysische Weltbild feudaler Prägung ad absurdum zu führen.
    Während im allgemeinen in den Contes de fées – und hiervon ist auch Diderots literarisch anspruchslose Erzählung Les Bijoux indiscrets nicht ausgenommen – das märchenhafte Geschehen vorwiegend die Aufgabe hatte, die Kritik an der bestehenden Gesellschaft zu verschleiern und eine attraktive Wirkung auf die potentielle Leserschaft auszuüben, kommt bei Voltaire als drittes Ziel hinzu, durch die strukturelle Anlage der Handlung selbst – vor allem in seinen längeren Contes philosophiques – direkt philosophisch-moralische Erkenntnisse zu vermitteln, das heißt, ihr eine konstitutive Funktion in bezug auf den Aussagegehalt beizumessen.
    Wenn er sich einerseits an die äußeren Formen der orientalischen Contes, der „Voyages imaginaires“, der Abenteuerromane oder der Reiseberichte hielt und dementsprechend alle Erzähltechniken, die Ich-Erzählung wie den Dialog oder die Erzählung in der dritten Person, den Memoirenbericht wie den Brief, die phantastisch-märchenhafte Darstellung wie die nüchterne, realistische Schilderung souverän beherrschte und anwandte, so betont er durch die parodistische Färbung doch zugleich die unüberbrückbare Kluft, die seine Prosawerke trotz zahlreicher übernommener Darstellungselemente von der bisherigen Erzählliteratur trennte. Inhaltlich wurde diese Distanz bestimmt durch den philosophisch-moralischen Aussagegehalt seiner Werke, der in vollem Einklang stand mit seinem aufklärerischen Gesamtwerk.
    Eben diese besonderen Eigenschaften rechtfertigen es aber auch, Voltaires Erzählungen als Contes philosophiques zu qualifizieren, nicht in dem Sinne, daß in allen Erzählungen eigentlich philosophische Themen behandelt würden, sondern vielmehr darum, weil sie sämtlich Einsichten vermitteln wollen, die die Aufklärung in der einen oder anderen Weise direkt befördern.
    Voltaire sah in ihnen vor allem geeignete Instrumente zur aufklärerischen Bewußtseinsbildung, zur Überwindung des herrschenden, auf Vorurteilen basierenden Weltbildes.
    Daß dabei besonders in den ersten Contes das Moment der Selbstverständigung für Voltaire eine Rolle spielte, wurde bereits erwähnt, ebenso wie die Tatsache, daß die Contes in den angeschlagenen Themen und ihrem Aussagegehalt deutlich den aufklärerischen Entwicklungsstufen Voltaires folgten.
    Nicht zuletzt findet darin die aktuelle Bedeutung so engagierter Aufklärer wie Voltaire ihre Begründung.
    auch Candide und Babouc, die kritischen Reisenden der beiden philosophischen Erzählungen Voltaires, folgen diesem Ziel;
    Als philosophischer Betrachter oder Erzähler hat Voltaire sich außerhalb eines eindeutigen ständischen Engagements gestellt;
    Doch von der Régence an ist die Aufklärung, von Fontenelle, Bayle und anderen vorbereitet, nicht mehr aufruhalten, sowenig sie auch – und zwar von Anfang an – als eine einheitliche Bewegung mit gleichen und gleichbleibenden Zielen zu gelten hat Allein im religionsphilosophischen Bereich fallen eklatante Unterschiede etwa zwischen Atheisten wie dem Curé Meslier, Materialisten wie Diderot und La Mettrie, Deisten wie Voltaire und Vertretern der Gefühlsreligion wie Rousseau auf.
    Montesquieus Milieu- und Klimatheorie im Esprit des lois (1748), die von Mme de Staël an der Wende zum 19. Jahrhundert in De la littérature considérée dans ses rapports avec les institutions sociales (1800) und im Positivismus weiterentwickelt werden wird, basiert auf diesem Relativitätsdenken: Regierungsformen, Religionen und ihre “Gesetze”, die materialistisch und funktionalistisch als “rapports nécessaires qui dérivent de la nature des choses” definiert werden, lassen sich auf klimatische, ethnologische und kulturgeschichtliche Faktoren zurückfuhren. Relativität impliziert insofern auch Toleranz anderen Ländern und Kulturen gegenüber: Gesetze sind Resultate von Geschichte, sie dürfen deshalb nicht von außen aufoktroyiert werden und werden deshalb auch als mit der Geschichte veränderbar gedacht. Jede geschichtliche Epoche, auch diejenige des Absolutismus, wird als Folge der vorausgehenden beschrieben und damit als Produkt der Geschichte relativiert, das keinerlei Anspruch auf Perpetuierung hat.
    Ein solcher – fiktionaler – “philosophe” ist beispielsweise Babouc, der Protagonist von Voltaires “conte philosophique” Le monde comme il va, dessen Untertitel (“Vision de Babouc”) auf den Projektcharakter dieser Konzeption hindeutet:
    Hier macht sich der Einfluß des von der englischen Philosophie vermittelten Sensualismus bemerkbar: “Nihil est in intellectu, quod non prius fuit in sensu”, so lautet der Leitsatz des Philosophen Locke, der am Ende von Voltaires “conte philosophique” Micromégas als einziger abendländischer Philosoph Gnade vor des Satirikers Spott findet.
    Das Beispiel Voltaires, vor allem der große Einfluß der englischen Philosophie (Locke, Shaftesbury) und Naturwissenschaften (Newton) sind in diesem Zusammenhang besonders bedeutsam.
    Für ihn galt Voltaire, den wir als den eigentlichen Propheten der Aufklärung betrachten, als ein auf halbem Wege stehen gebliebener, weil er in der Philosophie sich dem Materialismus Diderot’s entgegenstellte, Kunst und Dichtung für unvergänglichere Güter hielt, als die exakte Naturwissenschaft, und vor allem, weil er, in seinen für die Öffentlichkeit bestimmten Schriften wenigstens, sich zum Deismus bekannte.
    Europaweit strahlen die Theorien Isaac Newtons aus, die unter den prominenten ›philosophes‹ vor allem Voltaire nachhaltig beschäftigen und die experimentelle Methode als Paradigma aufklärerischer Wissenschaft und Philosophie begründen.
    In die Hochaufklärung fallen zentrale Schriften Diderots, Rousseaus, Turgots, d’Alemberts, Helvétius’ und so bedeutende Einzelwerke wie Voltaires Candide (1759).
    Die Gattungsbezeichnung wird zum ›understatement‹ für oftmals durchaus ambitionierte theoretische, (natur-)wissenschaftliche und historiographische Entwürfe (z. B. Voltaires) wie auch zur Kennzeichnung einer originellen Idee verwendet;
    Dies gilt auch für unterschiedliche Formen des Historischen (besonders Mittelalter und Renaissance), Fantastischen (Reise auf den Mond, Eldorado, hybride Wesen zwischen Mensch und Tier, Monster), der Utopie (Marivaux, Voltaire, Morelly, Bernardin de Saint-Pierre, Sade) und der Uchronie (Louis-Sébastien Mercier, L’an 2440, rêve s’il en fut jamais, 1770/1785/1786).
    Neben der ideologischen Umarbeitung klassischer Stücke von Corneille, Racine oder Molière entstehen in den ersten Jahren der Revolution außerdem Dramen, in denen große Denker der Aufklärung – z. B. Voltaire, Rousseau – oder die negativen Seiten des Ancien Régime dargestellt werden wie in Lemierre d'Argys Calas ou Le fanatisme (1790), Layas Jean Calas (1790) und schließlich lean Calas ou L’école des luges (1791) von Marie-Joseph Chénier (zur Affaire Calas s. Autorenportrait Voltaire).
    Während uns infolge eines verkehrten Gymnasialunterrichte s die Hofdichter Ludwig’s XIV. und der Oppositionsdichter der Frondezeit, Corneille, bekannter sind, als die weit einflussreicheren und bahnbrechenderen Vorkämpfer der französischen Aufklärung oder die zeitlich am nächsten stehenden Dichter der romantischen und nachromantischen Periode, hatte sich Grillparzer gerade umgekehrt an den Aufklären, besonders an Voltaire, geschult und zu den zeitgenössischen Romantikern eine bestimmte, von scharfer Antipathie nicht freie Stellung genommen, während die sogen. Klassiker, mit einziger Ausnahme Moliöre’s, ihm indifferenter blieben.
    Neben der großen Wirkung Bayles und Fontenelles gelangen politische, naturwissenschaftliche und religionsphilosophische Gedanken englischer Philosophen (Hume, Locke) durch die Vermittlung Montesquieus und Voltaires in Frankreich in Umlauf.
    Voltaire (1694-1778), der im Laufe des Jahrhunderts zum Inbegriff der Aufklärung avanciert, muß schon 1717 wegen satirischer Verse gegen den König ins Gefängnis, wo er mit der Abfassung eines Epos über den toleranten Heinrich IV. beginnt.
    Montesquieus „De l’esprit des lois“, Voltaires philosophische Erzählungen, die ab 1747 erscheinen, und Rousseaus erster „Discours“ (1750) zählen zu diesen Werken.
    Vor allem ist es aber die „Encyclopédie“, die unter der Leitung von Diderot und d’Alembert ab 1750 erscheint und zum Symbol der Aufklärung wird. Für die Mitarbeit können die beiden Herausgeber so berühmte Autoren wie Voltaire, Montesquieu, Rousseau, Marmontel, d’Holbach sowie den Ökonomen Quesnay gewinnen.
    Als Symbol der Aufklärung gilt auch weiterhin Voltaire, weil er mit seinem Schlachtruf „Ecrasez l'Infâme“ nicht nur in seinem literarischen Œuvre gegen Intoleranz, Korruption, Willkür, Ungerechtigkeit und Amtsmißbrauch polemisiert, sondern weil er maßgeblich zur Etablierung eines philosophisch-antitheologischen Geschichtskonzepts beiträgt („Le siècle de Louis XIV“, 1752; „Essai sur l’histoire générale et sur les mœurs et l’esprit des nations depuis Charlemagne jusqu’à nos jours“, 1756) und sowohl in seinen philosophischen Werken („Dictionnaire philosophique portatif“, 1764; „Questions sur l'Encyclopédie“, 1770-72) als auch in zahllosen Protest-, Spott- und Kampfschriften politische und soziale Mißstände anprangert.
    Gerade bei Voltaire, dessen Erzählungen man heute gern generell unter dem Titel contes philosophiques zusammenfaßt, begegnet man immer wieder einer völlig unbekümmerten Haltung den Bezeichnungen der Prosaerzählung gegenüber.
    Der 13. Band dieser Ausgabe enthält die bis 1770 erschienenen Erzählungen unter dem Obertitel Romans et Contes philosophiques, der von Voltaire selbst vielleicht nicht gewählt, aber doch gebilligt worden ist. Der Hinweis auf den „philosophischen“ Charakter der Werke war dem Autor wohl das wichtigste.
    Wie schon in Voltaires Candide, werden auch in diesem Roman philosophische Positionen auf die lebensweltliche Probe gestellt.
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    Inhaltliche und formale Bezüge zu Homer und Vergil, zu Racine und Corneille belegen nicht nur Voltaires dichterisches Geschick, sondern auch seine Versuche, das Epos zu erneuern und in den Dienst der Aufklärung zu stellen.
    Daß zukunftsweisende Publikationen der Aufklärung in der Tat in diesen Jahren entstanden oder erschienen sind, gibt D’Alembert für das 18. Jahrhundert recht: 1748: Voltaires Zadig, Montesquieus Esprit des lois, Diderots Bijoux indiscrets, Mablys Droit public de l’Europe fondé sur les traités; 1749: 1. Band von Buffons Histoire naturelle, Condillacs Traité des systèmes; 1750: Rousseaus erster Discours; 1751: Voltaires Siècle de Louis XIV usw.
    Nicht nur der Kampf Voltaires, der nur wenige Vorurteile zur Aufrechterhaltung der sozialen und moralischen Ordnung akzeptiert, gilt jenen die Würde des Individuums tangierenden Vor-Urteilen und Vor-Verurteilungen, von denen das “siècle philosophique” sich mit Hilfe der Ratio befreien will. Die schon im Zusammenhang der “Querelle des Anciens et des Modernes” aufkeimende Idee des Fortschritts weitet sich auf nahezu alle Gebiete aus.
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    Der aufklärerischen und moralisch-didaktischen Intention entsprechen auch die contes philosophiques Voltaires, die contes moraux Marmontels und die Dialogerzählungen Diderots, die jeweils fundamentale Neuerungen im Literatursystem der Aufklärung darstellen.
    Die meisten Werke Voltaires sind tendenziös und huldigen den Ideen, die er als vernunftgemäß richtig erkannt hat, vor allem Aufklärung und Toleranz.
    Die meisten Werke Voltaires sind tendenziös und huldigen den Ideen, die er als vernunftgemäß richtig erkannt hat, vor allem Aufklärung und Toleranz. Seine Kunst ist also nicht um ihrer selbst willen lebensberechtigt, sondern weil sie mit ethisch-rationalen Zielen im Dienste der Menschheit steht.
    Voltaire wagt zu sagen, was sonst niemand sagte, höchstens dachte; er richtet unentwegt seine Angriffe gegen alles durch Tradition und Vorurteile Sanktionierte, gegen alles, was den Menschen knechtet und fesselt.
    Der enge Zusammenhang von philosophisch-moralischem Aussagegehalt, didaktischer Funktion und literarisch-ästhetischer Struktur seiner Contes macht es unerläßlich, ihre Interpretation auf der Grundlage der politisch-weltanschaulichen Entwicklung Voltaires vorzunehmen.
    Während im allgemeinen in den Contes de fées – und hiervon ist auch Diderots literarisch anspruchslose Erzählung Les Bijoux indiscrets nicht ausgenommen – das märchenhafte Geschehen vorwiegend die Aufgabe hatte, die Kritik an der bestehenden Gesellschaft zu verschleiern und eine attraktive Wirkung auf die potentielle Leserschaft auszuüben, kommt bei Voltaire als drittes Ziel hinzu, durch die strukturelle Anlage der Handlung selbst – vor allem in seinen längeren Contes philosophiques – direkt philosophisch-moralische Erkenntnisse zu vermitteln, das heißt, ihr eine konstitutive Funktion in bezug auf den Aussagegehalt beizumessen.
    Wenn er sich einerseits an die äußeren Formen der orientalischen Contes, der „Voyages imaginaires“, der Abenteuerromane oder der Reiseberichte hielt und dementsprechend alle Erzähltechniken, die Ich-Erzählung wie den Dialog oder die Erzählung in der dritten Person, den Memoirenbericht wie den Brief, die phantastisch-märchenhafte Darstellung wie die nüchterne, realistische Schilderung souverän beherrschte und anwandte, so betont er durch die parodistische Färbung doch zugleich die unüberbrückbare Kluft, die seine Prosawerke trotz zahlreicher übernommener Darstellungselemente von der bisherigen Erzählliteratur trennte. Inhaltlich wurde diese Distanz bestimmt durch den philosophisch-moralischen Aussagegehalt seiner Werke, der in vollem Einklang stand mit seinem aufklärerischen Gesamtwerk.
    Hier fügt sich auch ohne weiteres Voltaires erzählerisches Werk ein, das jedoch auf Grund der gelungenen Verbindung von philosophisch-moralischer Aussage mit neuen ästhetischen Prinzipien und auf Grund seiner dichterischen Qualität aus der Gesamtheit dieser Literatur herausragt.
    Voltaire sah in ihnen vor allem geeignete Instrumente zur aufklärerischen Bewußtseinsbildung, zur Überwindung des herrschenden, auf Vorurteilen basierenden Weltbildes.
    Voltaire sah in ihnen vor allem geeignete Instrumente zur aufklärerischen Bewußtseinsbildung, zur Überwindung des herrschenden, auf Vorurteilen basierenden Weltbildes. Entsprechend wurden Fabel und Handlung der philosophisch-moralischen Zielstellung untergeordnet, dienten sie bis zu einem gewissen Grade vor allem der Demonstration und Veranschaulichung bestimmter philosophischer Thesen.
    Voltaire bleibt damit nicht bei der analytischen Kritik stehen, wie sie in vielen Romanen, in Werken wie Montesquieus Lettres persanes, den Contes von Crébillon oder auch Diderots Feenroman Les Bijoux indiscrets noch vorherrschte, sondern er stellt diese in einen allgemeinen Sinnzusammenhang, der in einer neuen Synthese ein theoretisches Ergebnis findet, das philosophisch-moralischer wie politisch-ökonomischer Natur sein kann.
    „... mit Micromégas gelingt ihm [Voltaire] ein Conte, wo die Moral der Fabel den Charakter einer Hypothese hat, wo die aufeinanderfolgenden Abenteuer Experimenten gleichen und die Auflösung die Gestalt einer Schlußfolgerung annimmt.“
    Voltaire wird im Artikel »Vertu« des Dictionnaire philosophique diese Trennung der privaten Neigungen von den gesellschaftlich schädlichen oder nützlichen als Grundlage einer säkularisierten Morallehre pointiert formulieren.
    Voltaire beispielsweise muß seine Satiren auf die Unmoral des Adels und schließlich auch auf den Herzog von Orléans selbst 1716 mit der Verbannung in die Provinz sühnen, wird vom Mai 1717 bis April 1718 ein erstes Mal, wegen Verleumdung, in der Bastille inhaftiert, dann 1726 erneut – als Folge seiner (ideologisch begründeten) tätlichen Auseinandersetzung mit dem Chevalier de Rohan -, um schließlich nach England ins Exil gehen zu müssen.
    Nicht nur der Kampf Voltaires, der nur wenige Vorurteile zur Aufrechterhaltung der sozialen und moralischen Ordnung akzeptiert, gilt jenen die Würde des Individuums tangierenden Vor-Urteilen und Vor-Verurteilungen, von denen das “siècle philosophique” sich mit Hilfe der Ratio befreien will.
    Voltaires Traité sur la tolérance (1763) – gegen Vorurteile, Aberglauben und religiöse Intoleranz gerichtet — ist nur ein besonders bekanntes Beispiel.
    Derselbe Voltaire hat – Jahrzehnte vor Lessings Nathan – eine seiner Tragödien der Idee religiöser Toleranz gewidmet:
    Derselbe Voltaire hat – Jahrzehnte vor Lessings Nathan – eine seiner Tragödien der Idee religiöser Toleranz gewidmet: In Zaïre (1732) wird die Religionsfreiheit als Resultat von Zufall und Erziehung rationalisiert.
    Und “philosophe” meint im Sprachgebrauch der Aufklärer jedes Individuum, jeden “homme de lettres” – ob Philosoph, Schriftsteller, Naturwissenschaftler oder einer anderen “condition” zugehörend –, der mit dem Licht der Vernunft auf empirische, der Metaphysik abholde Weise Zusammenhänge aufzudecken, überkommene angebliche Gesetzmäßigkeiten zu falsifizieren, die Vernunft zu fördern und zu befördern beabsichtigt. Ein solcher – fiktionaler – “philosophe” ist beispielsweise Babouc, der Protagonist von Voltaires “conte philosophique” Le monde comme il va, dessen Untertitel (“Vision de Babouc”) auf den Projektcharakter dieser Konzeption hindeutet:
    Sein Feldzug für religiöse Toleranz bezieht Argumente Bayles und Lockes, aber auch pragmatische Motive ein, die er schon in den Lettres philosophiques angeführt hat und die sich ähnlich u. a. bei Montesquieu finden, wie z. B. nationalökonomische Vorteile des religiösen Pluralismus.
    Mit seinem Bekenntnis zu einer universalen Vernunftmoral unterscheidet sich Voltaire deutlich von dem in der zweiten Jahrhunderthälfte forcierten moralischen Relativismus und Pluralismus.
    andererseits stellt Voltaire die Dichtung bereits in den Dienst seiner Kampagne gegen Intoleranz und Machtmißbrauch.
    mit der Idee, daß vernünftiges Handeln auf Erfahrungen beruht, die alle Menschen miteinander teilen (Voltaire, „Candide“, 1759; Bruno, „Le tour de la France par deux enfants“, 1877);
    Voltaire glaubte den Konflikt durch einen Kompromiß lösen zu können: „il faut cultiver notre jardin“ („Candide“, 1759). Diese Lösung ist nicht zuletzt deswegen optimistisch, weil eine individuelle Sinnfindung als allgemeines Interesse ausgegeben wird.
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    Voltaire will Freiheit von kirchlichen und staatlichen Bindungen, Freiheit der Meinungsäußerung und des Handelns;
    Voltaire als Vertreter des aufsteigenden Bürgertums verfolgte das Anliegen, der Aufklärung zum Durchbruch zu verhelfen, um damit das metaphysische Weltbild feudaler Prägung ad absurdum zu führen. Sein literarisches Wirken trug darum einen ausgesprochenen philosophisch-politischen Charakter.
    Voltaire bleibt damit nicht bei der analytischen Kritik stehen, wie sie in vielen Romanen, in Werken wie Montesquieus Lettres persanes, den Contes von Crébillon oder auch Diderots Feenroman Les Bijoux indiscrets noch vorherrschte, sondern er stellt diese in einen allgemeinen Sinnzusammenhang, der in einer neuen Synthese ein theoretisches Ergebnis findet, das philosophisch-moralischer wie politisch-ökonomischer Natur sein kann.
    Zwischen 1726 und 1728 hält Voltaire sich in England auf, wo sich ihm die Vorzüge der konstitutionellen Monarchie, der englische Empirismus, die Theorien Newtons wie die Dramen Shakespeares offenbaren. 1734 erscheinen ohne Druckerlaubnis seine Lettres philosophiques, in denen er die französischen Leser mit den mannigfachen Vorzügen der englischen Politik und Kultur, vor allem der Praxis weitgehender religiöser Toleranz vertraut macht (1733 unter dem Titel Lettres anglaises in London erschienen).
    Auch in seinen Tragödien, mit denen er ab 1718 bis zu seinem Todesjahr 1778 große Triumphe feiert, verfolgt Voltaire seinen Feldzug gegen Willkür, Gewaltherrschaft, Intoleranz, Fanatismus, Unterdrückung und Ungerechtigkeit.
    Als Symbol der Aufklärung gilt auch weiterhin Voltaire, weil er mit seinem Schlachtruf „Ecrasez l'Infâme“ nicht nur in seinem literarischen Œuvre gegen Intoleranz, Korruption, Willkür, Ungerechtigkeit und Amtsmißbrauch polemisiert, sondern weil er maßgeblich zur Etablierung eines philosophisch-antitheologischen Geschichtskonzepts beiträgt („Le siècle de Louis XIV“, 1752; „Essai sur l’histoire générale et sur les mœurs et l’esprit des nations depuis Charlemagne jusqu’à nos jours“, 1756) und sowohl in seinen philosophischen Werken („Dictionnaire philosophique portatif“, 1764; „Questions sur l'Encyclopédie“, 1770-72) als auch in zahllosen Protest-, Spott- und Kampfschriften politische und soziale Mißstände anprangert.
    Der Konflikt zwischen dem Einzel- und dem Allgemeininter-esse, zwischen dem unbedingten Erkenntnisdrang und den politischen Institutionen und sozialen Normen, von denen Glück und Unglück der Menschen abhängen, bestimmt das literarische Erzählen bis zum Ende der Aufklärung und darüber hinaus; Voltaire glaubte den Konflikt durch einen Kompromiß lösen zu können:
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    Voltaire wagt zu sagen, was sonst niemand sagte, höchstens dachte; er richtet unentwegt seine Angriffe gegen alles durch Tradition und Vorurteile Sanktionierte, gegen alles, was den Menschen knechtet und fesselt.
    Darum verfolgt er seine literarischen Feinde mit maßlosem Haß und Verleumdungen aller Art;
    Voltaire bleibt damit nicht bei der analytischen Kritik stehen, wie sie in vielen Romanen, in Werken wie Montesquieus Lettres persanes, den Contes von Crébillon oder auch Diderots Feenroman Les Bijoux indiscrets noch vorherrschte, sondern er stellt diese in einen allgemeinen Sinnzusammenhang, der in einer neuen Synthese ein theoretisches Ergebnis findet, das philosophisch-moralischer wie politisch-ökonomischer Natur sein kann.
    In Candide ging er bereits wieder in die Offensive über.
    Voltaire ging es darum – und hier ist ein Vergleich zu dem Wirken Bertolt Brechts und den von ihm angewandten Methoden angebracht -, eine kritische und rationale Haltung des Lesers zur Wirklichkeit zu fördern, ihn in den Stand zu setzen, die tieferen gesellschaftlichen Zusammenhänge zu durchschauen und sich nicht vom individuellen Glück oder Unglück eines Helden derart gefangennehmen zu lassen, daß dadurch der Blick für die gesellschaftlichen Probleme im weiteren Sinne verstellt wird.
    Voltaire verweist hier mit der Absurdität der Kombinationen oder Relationen auf die mangelnde Einsicht in tatsächliche Zusammenhänge der Natur.
    Voltaire fügt dieser Kritik eine sozialpsychologische und sozialgeschichtliche Begründung der Auswirkung religiöser Vorurteile an.
    Voltaires Artikel gipfelt in dem Angriff auf die geistige und weltliche Vormachtstellung der Institution Kirche;
    Voltaire stellt Bedeutung und Funktion des kirchlichen Gebotes im wörtlichen Sinn in Frage, indem er die Einwände dagegen in der Frageform formuliert.
    Voltaires Lettres philosophiques (1734), die – Englands Liberalismus in Politik, Gesellschaft und Kultur glorifizierend und gegen die französischen Verhältnisse stellend – ebenso verboten und öffentlich verbrannt wurden wie sein Dictionnaire philosophique, sind nur ein Beispiel unter vielen.
    Es wimmelt von antiaufklärerischen Diatriben und apologetischen Widerlegungsschriften – und nicht nur von Seiten der kirchlichen Mächte des Katholizismus, die Voltaire mit seinem “Écrasez l’infame!” anvisierte, sondern auch von reinen Cartesianern, Protestanten und Jansenisten.
    Das wiederum hatte Voltaire noch ganz anders gesehen, der Spott und Häme ausgeschüttet hatte über den Rivalen, von dem er 1765 glaubte, er sei bald vergessen:
    Auch Boileau bedeutete, trotz Voltaire’s absprechender Kritik, für ihn fast dasselbe, wie für das siebzehnte Jahrhundert, und Montesquieu, der tiefe Erforscher und beredte Dolmetscher römischer Grösse, galt ihm im ganzen als unumstössliche Autorität, gerade wie seinem Vorgänger in der Redaktion der Korrespondenz, dem Abbe Raynal.
    Die englische Litteratur der Zeit tritt weit mehr in den Vordergrund, aber sein Urteil über Shakespeare, den Ducis und Letour-neur nach Voltaire’s Vorgänge in Paris einzubürgern suchten, leidet an allen Vorurteilen und Einseitigkeiten der Voltaire’sehen Kritik.
    Während d’Alembert, so weit bei ihm von einer Sympathie für Konfessionsunterschiede die Rede sein kann, nie von der Einwirkung der katholischen Erziehung sich ganz freimachte und auch Voltaire den Protestantismus noch feindseliger beurteilte, als den Katholizismus, fällt für Grimm das Luthertum mit der Volksaufklärung und selbst mit der Toleranz ziemlich zusammen, die katholische Volksbildung ist ihm ein Mittel der Verdummung.
    Voltaires Candide ou L’optimisme (1759) lässt sich als pointierte Absage an die Theodizee und den Leibnizschen Optimismus lesen.
    Bayle begründet die Kritik als aufklärerischen Diskurstypus; diesen führt vor allem Voltaire in der für ihn charakteristischen Form weiter, indem er die schwer entzifferbare Baylesche Ironie zu deutlicher ironischer Kritik ausbaut.
    Der katholische Denker, mit dem Voltaire sich trotz seiner Kirchenkritik wohl am intensivsten befasst und dem er seinen polemischen Stil teilweise verdankt, ist Blaise Pascal, dessen Philosophie in Frankreich vor und nach 1800 von Montesquieu bis zu Rousseau, Condorcet und Tocqueville viele bedeutende Köpfe geprägt hat.
    Um 1750 gewinnt Voltaire auch als Erzähler ein unverwechselbares Profil. In manchem Bayle und Fontenelle, Rabelais, dem Barockroman und den Romanciers der ersten Jahrhunderthälfte verpflichtet und an die Tradition der oft frivolen antiklerikalen Novellistik anknüpfend, macht er den sogenannten ›conte philosophique‹ zur mustergültigen Gattung:
    Voltaire verwendet oft märchenhafte, teilweise an Tausendundeine Nacht anknüpfende Elemente und Handlungsmuster, spielt mit romanesken Gattungstraditionen und bedient sich unterschiedlicher Techniken der Relativierung (nach Rabelais und Swift spielt auch Voltaire den Gegensatz von riesenhafter Größe und mikroskopisch Kleinem aus) sowie holzschnittartiger Dialoge. Scheinbare Selbstverständlichkeiten, träge Denkgewohnheiten und autoritäre Dogmen werden ins Säurebad der kritischen ›raison‹ getaucht und aufgelöst.
    Voltaires sprichwörtlicher Witz (›esprit‹) scheucht die faule Vernunft auf, Quelle von Vorurteilen, Denkfehlern und Aberglauben. Philosophische Fragestellungen werden literarisch durchgespielt und in provozierender Weise zugespitzt, Theorien ad absurdum geführt, Dogmen und Autoritäten auf Plausibilität geprüft.
    1756 veröffentlicht Voltaire sein Poème sur le désastre de Lisbonne und äußert Zweifel an der von Leibniz behaupteten prästabilierten Harmonie und sieht die Katastrophe als Krise des metaphysischen Optimismus eines Leibniz, Wolff und Pope an, denn die bestehende kann nicht die beste aller möglichen Welten sein.
    Deutliche Angriffe gegen die Säulen des Staates erfolgen dann u. a. in Montesquieus Lettres persanes (1721) und in Voltaires Lettres philosophiques (1734).
    Voltaire (1694-1778), der im Laufe des Jahrhunderts zum Inbegriff der Aufklärung avanciert, muß schon 1717 wegen satirischer Verse gegen den König ins Gefängnis, wo er mit der Abfassung eines Epos über den toleranten Heinrich IV. beginnt. Dieses Epos, das 1723 unter dem Titel „La Ligue ou Henri le Grand“ in einer ersten Passung erscheint, enthält implizit eine Kritik an der durch Intoleranz, und Verfolgung gekennzeichneten Herrschaft des Sonnenkönigs.
    Als Symbol der Aufklärung gilt auch weiterhin Voltaire, weil er mit seinem Schlachtruf „Ecrasez l'Infâme“ nicht nur in seinem literarischen Œuvre gegen Intoleranz, Korruption, Willkür, Ungerechtigkeit und Amtsmißbrauch polemisiert, sondern weil er maßgeblich zur Etablierung eines philosophisch-antitheologischen Geschichtskonzepts beiträgt („Le siècle de Louis XIV“, 1752; „Essai sur l’histoire générale et sur les mœurs et l’esprit des nations depuis Charlemagne jusqu’à nos jours“, 1756) und sowohl in seinen philosophischen Werken („Dictionnaire philosophique portatif“, 1764; „Questions sur l'Encyclopédie“, 1770-72) als auch in zahllosen Protest-, Spott- und Kampfschriften politische und soziale Mißstände anprangert.
    Die großen Autoren der Aufklärung, Diderot und Voltaire — vor ihnen bereits Montesquieu mit seiner Histoire véritable, die, schon früh konzipiert, erst 1754 in endgültiger Fassung vorlag — bemächtigen sich der Gattung des conte, um ihn zu einem Instrument ihrer kämpferischen Absichten zu machen.
    Die contes philosophiques Voltaires verwenden also die erzählende Tradition des 18. Jahrhunderts, um hinter einer unterhaltsamen Fassade etwas durchaus Ernstes zu sagen. Der Leser wird sich dabei aber kaum der Tatsache bewußt, daß ihm ernsthafte Erkenntnisse vermittelt werden, denn das Unterhaltungs-Element tritt so sehr in der Vordergrund, daß die in der Erzählung verborgene Kritik gleichsam unbemerkt in ihn eindringt.
    Diderot und insbesondere Voltaire bemächtigen sich dann des conte, um aus ihm ein Instrument geistigen Kampfes zu machen.
    (Voltaire schreibt ihm spöttisch, dass man Lust bekomme, auf allen Vieren zu laufen, wenn man seine Schriften lese),
    Voltaire spottete, Rousseaus primitiver Mensch wecke die Lust, auf allen vieren zu laufen.
    7 references
    Voltaires umfangreiche historische Studien zu seinem Essai sur les moeurs („Essay über die Sitten“) und dabei gewonnene Erkenntnisse finden ihren Niederschlag in Candide (1758) mit seiner vernichtenden Kritik am metaphysisch begründeten Optimismus Leibniz-Wolffscher Prägung, die aber keinesfalls als Absage an den aufklärerischen Optimismus überhaupt und nunmehrige Huldigung eines hoffnungslosen Pessimismus verstanden werden darf.
    Diese sozialhistorische Verallgemeinerung, die ja nur solange gilt, als keine gegenteiligen Tatsachen ihr widersprechen, stützt Voltaire mit psychologischen Wesensmerkmalen des Menschen: Machttrieb, Drang nach Reichtum und Vergnügen, Neigung zur Bequemlichkeit.
    Die eigentliche Blütezeit der Aufklärung, die Zeit, in welcher Voltaire und sein Antipode Rousseau sich um die Führerschaft der aufgeklärten und halbaufgeklärten Welt stritten, beginnt erst nach den Jahren, welche Raynal’s Korrespondenz schildert.
    1756 erscheint Voltaires Essai sur les mœurs et l’esprit des nations, ein historisch und geographisch weit ausgreifendes Werk, das ihm den Ruf einträgt, einer der Begründer der vergleichenden Kulturgeschichtsschreibung zu sein;
    In der zweiten Hälfte des 18. Jh.s spielt, parallel zur Blüte der National- und vor allem Universalgeschichtsschreibung, das Traditionsgenre des Epos (in gereimter oder ungereimter Form) mit national- oder menschheitsgeschichtlichen Stoffen eine bedeutende Rolle (Voltaire, Marmontel, Madame du Boccage, André Chénier).
    Als Symbol der Aufklärung gilt auch weiterhin Voltaire, weil er mit seinem Schlachtruf „Ecrasez l'Infâme“ nicht nur in seinem literarischen Œuvre gegen Intoleranz, Korruption, Willkür, Ungerechtigkeit und Amtsmißbrauch polemisiert, sondern weil er maßgeblich zur Etablierung eines philosophisch-antitheologischen Geschichtskonzepts beiträgt („Le siècle de Louis XIV“, 1752; „Essai sur l’histoire générale et sur les mœurs et l’esprit des nations depuis Charlemagne jusqu’à nos jours“, 1756) und sowohl in seinen philosophischen Werken („Dictionnaire philosophique portatif“, 1764; „Questions sur l'Encyclopédie“, 1770-72) als auch in zahllosen Protest-, Spott- und Kampfschriften politische und soziale Mißstände anprangert.
    Voltaire war Verfasser von historiographischen Schriften (Le siècle de Louis XIV), von Erzählungen und Romanen (Zadig, Candide, L’ingénu), von Tragödien (Mérope, Mahomet), von kulturvergleichenden Texten (Lettres philosophiques, Essai sur les mœurs), aber auch von Polemiken, mit denen er in der öffentlichen Auseinandersetzung Position bezog (L’affaire Calas).
    2 references
    So betrachtet, vermitteln auch Voltaires Contes ein breites realistisches Sittengemälde der französischen Gesellschaft des 18. Jahrhunderts.
    Voltaire fügt dieser Kritik eine sozialpsychologische und sozialgeschichtliche Begründung der Auswirkung religiöser Vorurteile an.
    1 reference
    Mit Recht hebt darum Barchilon unter Bezug auf die Zadig-Edition von G. Ascoli „die für Voltaire charakteristische Verbindung von feiner psychologischer Analyse mit einem geschwinden, humoristischen und suggestiven Stil“ hervor.
    2 references
    In origineller Weise hat Voltaire dabei eine Technik des verfremdenden Nebeneinander angewandt, die in ihrer Form der Brechtschen Verfremdungstechnik verwandt erscheint und in ihrer Wirkung dem von Brecht erstrebten V-Effekt nahekommt.
    Berühmtestes Beispiel für die Anwendung des verfremdenden Kontrastes bei Voltaire ist die bereits in den Lettres philosophiques enthaltene Schilderung der Londoner Börse mit der Nebeneinanderstellung von Religion und Geschäft:
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    Als philosophischer Betrachter oder Erzähler hat Voltaire sich außerhalb eines eindeutigen ständischen Engagements gestellt; die Ironie seiner Beobachtungen kann gegen den Adel gerichtet sein und die Bürgerlichen amüsieren oder umgekehrt;
    Voltaire zeigt sich aber auch als Meister der kleinen Form, des witzigen Bonmots, des knappen Dialogs, des so kurzen wie bissigen Lexikonartikels und ist wohl der schnellste und präsenteste der ›philosophes‹ und unter ihnen einer der militantesten.
    Mit Candide ou L’optimisme (1759), einem Höhepunkt seines Erzählwerks, einem Text, der Parallelen zu Samuel Johnsons im selben Jahr erschienenem Roman History of Rasselas, Prince of Abyssinia aufweist, bezieht Voltaire mit literarischer Raffinesse in dieser Streitfrage Stellung. In dreißig Kapiteln hetzt der Erzähler den Titelhelden, dessen sprechender Name ihn als sympathischen naiven Jüngling ausweist, um die Welt. Er wird ständig neuen Anfechtungen, Bewährungsproben und Katastrophen ausgesetzt, von denen eine der fürchterlichsten das Erdbeben von Lissabon ist. Der tapfere Optimist wird auch in den Siebenjährigen Krieg verstrickt. Er und seine Leidensgenossen werden von Würdenträgern der großen monotheistischen Religionen verfolgt und gequält. All dies wird slapstickartig, komisch verkürzt und burlesk pointiert in unerhörtem Tempo erzählt.
    Andererseits kommt dem komischen Epos europaweit große Bedeutung zu (Alexander Pope, Voltaire, Giuseppe Parini).
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    – Travaillons sans raisonner, dit Martin; c’est le seul moyen de rendre la vie supportable. (Candide, 30. Kapitel)der Garten Eden« macht uns darauf aufmerksam, daß diese Erzählung, die zu den bekanntesten Werken Voltaires zu rechnen ist, mit einer parodistischen Vertreibung aus dem »irdischen Paradies« begonnen hat.
    Voltaire beispielsweise muß seine Satiren auf die Unmoral des Adels und schließlich auch auf den Herzog von Orléans selbst 1716 mit der Verbannung in die Provinz sühnen, wird vom Mai 1717 bis April 1718 ein erstes Mal, wegen Verleumdung, in der Bastille inhaftiert, dann 1726 erneut – als Folge seiner (ideologisch begründeten) tätlichen Auseinandersetzung mit dem Chevalier de Rohan -, um schließlich nach England ins Exil gehen zu müssen.
    Als Symbol der Aufklärung gilt auch weiterhin Voltaire, weil er mit seinem Schlachtruf „Ecrasez l'Infâme“ nicht nur in seinem literarischen Œuvre gegen Intoleranz, Korruption, Willkür, Ungerechtigkeit und Amtsmißbrauch polemisiert, sondern weil er maßgeblich zur Etablierung eines philosophisch-antitheologischen Geschichtskonzepts beiträgt („Le siècle de Louis XIV“, 1752; „Essai sur l’histoire générale et sur les mœurs et l’esprit des nations depuis Charlemagne jusqu’à nos jours“, 1756) und sowohl in seinen philosophischen Werken („Dictionnaire philosophique portatif“, 1764; „Questions sur l'Encyclopédie“, 1770-72) als auch in zahllosen Protest-, Spott- und Kampfschriften politische und soziale Mißstände anprangert.
    (Voltaire schreibt ihm spöttisch, dass man Lust bekomme, auf allen Vieren zu laufen, wenn man seine Schriften lese),
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    In beiden Gattungen ist Voltaire modellbildend, der lange vor seinen “contes philosophiques” in Auseinandersetzung mit dem religiösen Lehrgedicht etwa des Jansenisten Louis Racine schon seit 1722 das philosophische Lehrgedicht pflegt und sehr früh auch die “tragédie philosophique” einführt, um sein Welt- und Menschenbild publikumswirksam zum Ausdruck zu bringen.
    Voltaire war Verfasser von historiographischen Schriften (Le siècle de Louis XIV), von Erzählungen und Romanen (Zadig, Candide, L’ingénu), von Tragödien (Mérope, Mahomet), von kulturvergleichenden Texten (Lettres philosophiques, Essai sur les mœurs), aber auch von Polemiken, mit denen er in der öffentlichen Auseinandersetzung Position bezog (L’affaire Calas).